Wie sehr die Legende um Wyatt Earp zu ausschweifender Fantasiebeflügelung einlädt, lässt sich am Vergleich zwischen Lawrence Kasdans „Wyatt Earp“ und George P. Cosmatos‘ „Tombstone“ ermessen, die Mitte der Neunziger binnen eines Jahres in die amerikanischen Kinos kamen. Das finanzielle Nachsehen hatte Kasdans dreistündige Biographie, die mit historisch akkurater Detailfülle versuchte, auch den Rissen in Earps Heldendenkmal gerecht zu werden. Cosmatos‘ nicht minder starbesetztes Spektakel begnügt sich hingegen mit bewährten Schauwerten und einer souveränen Verkettung bleihaltiger Showdowns.
Kurt Russell („Die Klapperschlange“) verkörpert Wyatt Earp als aufrechten Ehrenmann mit eigener Auslegung von Gerechtigkeit. Die Handlung setzt nach seiner Marshall-Station in Kansas ein und folgt ihm sowie seinen Brüdern Virgil (Sam Elliott, „Road House“) und Morgan (Bill Paxton, „Aliens“) nach Tombstone, wo die Familie Reichtum und ein bürgerliches Leben sucht. Nur werden Stadt und Region von einer gefürchteten Bande, den sogenannten Cowboys beherrscht, die an ihren roten Schärpen erkannt werden und gleich zum Auftakt unerbittlich eine Hochzeitsgesellschaft auflösen.
So gerät Wyatt natürlich bald mit Anführer Curly Bill Brocius (Powers Boothe, „Ausgelöscht“), dem gefürchteten Pistolero Ringo (Michael Biehn, „Terminator“) und dem großmäuligen Feigling Ike Clanton (Stephen Lang, „Avatar“) aneinander. Dass sich Virgil und Morgan in Tombstone den Sheriffstern anheften lassen, macht die Sache nicht weniger delikat. Neben seinen Brüdern steht ihm aber auch der lungenkranke Spieler Doc Holiday (Val Kilmer, „True Romance“) zur Seite, der mit locker sitzendem Colt und zynischem Humor zur Verschärfung der Fehde beiträgt. Nach der Schießerei mit der Clanton-Bande am O.K. Corrall und der Ermordung Morgans begibt sich Wyatt auf einen gnadenlosen Rachefeldzug gegen die Cowboys.
Als bleihaltige Helden-Mär mit reichhaltig klischeehafter Figurendarstellung schert sich „Tombstone“ nicht um historische Genauigkeit oder die Schatten von Wyatts krimineller Vergangenheit. Der Mythos Earp wird zu einem rasanten Action-Western komprimiert, in dem auch Wyatts Entscheidung zwischen der drogensüchtigen Gattin Mattie (Dana Wheeler-Nicholson, „Fletch“) und der lebensfrohen Schauspielerin Josephine (Dana Delany, „Body of Proof“) ausreichend Raum erhält. Zwar versucht Cosmatos das Töten als schmutziges Geschäft darzustellen, doch gefällt sich der „Rambo 2“-Regisseur viel zu sehr als Dirigent rauchender Colts.
Beachtlich bleibt die bis in kleine Nebenrollen prominente Besetzung, die u.a. Billy Zane („Titanic“), Jason Priestley („Beverlsy Hills 90210“), Terry O’Quinn („Lost“), Thomas Haden Church („Sideways“), Michael Rooker („Cliffhanger“) sowie in einem Kurzauftritt Alt-Star Charlton Heston („Planet der Affen“) auffährt. So nimmt das naive Staunen bei „Tombstone“ einen bedeutend größeren Stellenwert ein als ein glaubhaftes Bild von Sitten und Protagonisten. Damit fällt der Film deutlich flacher aus als Kasdans Version des Themas, wirkt aufgrund der ansprechenden Darstellerleistungen und packender Actionszenen aber insgesamt unterhaltsamer.
Wertung: (6 / 10)