Feinde – Hostiles (USA 2017)

„I’ve killed everything that’s walked or crawled. If you do it enough, you get used to it.“ – Thomas Metz

Über Jahrzehnte spielten die nordamerikanischen Ureinwohner im Kino eine untergeordnete Rolle. Gelegentlich waren sie die edlen Wilden, meist wurden sie jedoch zu unkultivierten Hindernissen des „weißen Fortschritts“ degradiert. Die Perspektive änderte sich erst in den 1970ern, mit der Abkehr von den Normen des kollabierten Studiosystems. Mit der Konsequenz, dass das Kino provokanter, radikaler und politischer wurde. In dieser Ära entstanden Werke wie „Das Wiegenlied vom Totschlag“, „Little Big Man“ oder „Ein Mann, den sie Pferd nannten“ (alle 1970). Der Geist des Spät-Westerns und mit ihm der Abgesang auf alte Mythen umweht das uramerikanischste aller Genres bis heute. In welchem Maße das auch den Genozid an den Indianern umschließt, verdeutlicht das bittere Drama „Feinde – Hostiles“.

Am Anfang von Scott Coopers („Crazy Heart“) vierter Regiearbeit steht die Grausamkeit. Die beider Seiten. Das Jahr ist 1892. Zunächst überfallen Indianer die Ranch einer weißen Familie. Der Vater wird skalpiert, die fliehenden Töchter hinterrücks erschossen. Nur die Mutter, Rosalee Quaid (Rosamund Pike, „I Care a Lot“), kann entkommen; das ebenfalls erschossene Baby als blutiges Bündel an sich gepresst. Den längst in Reservaten ihrer Lebensgrundlage beraubten Tätern geht es um Pferde. Und Freiheit. Der im Wege stehen Männer wie Armee-Offizier Joseph J. Blocker (drehte mit Cooper bereits „Auge um Auge – Out of the Furnace“: Christian Bale). Der Veteran der Indianerkriege fängt versprengte Natives ein und beseitigt damit auch die letzten Reste jener Lebensweise, die in der „neuen Welt“ über Jahrhunderte prägend waren. 

Blocker ist die befehlshörige Personifizierung des kriegerischen Rassismus. Für ihn sind Indianer keine zivilisierten Menschen, sondern Wilde. Über viele Jahre hat er sie bekriegt, gejagt und ausgemerzt. Einer seiner ärgsten Feinde: Cheyenne-Häuptling Yellow Hawk (Wes Studi, „Der mit dem Wolf tanzt“), einst stolzer Krieger, nach sieben Jahren Einkerkerung aber kaum mehr als der todkranke Schatten einer nahezu ausradierten Kultur. Als seinem Gnadengesuch auf präsidiales Geheiß stattgegeben wird, damit ihm ein Tod auf dem heiligen Grund seines Volkes ermöglicht wird, soll ausgerechnet Blocker die zu Yellow Hawks Begleitung abkommandierte Eskorte anführen. Für ihn ist dies Symbol einer einseitigen Aussöhnung ein Verrat an allem, für das er gekämpft hat. Doch er fügt sich. Wenn auch unter Protest. Befehlsgehorsam ist schließlich sein Lebensinhalt.

„Sometimes I envy the finality of death. The certainty. And I have to drive those thoughts away when I’m weak.“ – Rosalie Quaid

Und so macht sich der Tross auf die lange Reise. Yellow Hawk wird von vier Familienmitgliedern – darunter Q’orianka Kilcher („The Alienist“) als Elk Woman und Adam Beach („Windtalkers“) als Black Hawk – begleitet, während Blocker u. a. von den Soldaten Kidder (Jesse Plemons, „Breaking Bad“) und Wills (auch in Coopers „Black Mass“ zu sehen: Rory Cochrane), einem seiner engsten Vertrauten, unterstützt wird. Das Zwischenmenschliche bleibt zunächst von Argwohn geprägt. Vor allem Blocker betrachtet Yellow Hawk noch immer als erbarmungslosen Schlächter. Das ändert sich erst, als sie Rosalee in den Überresten ihres Farmhauses auflesen und auf den beschwerlichen Trip nach Montana mitnehmen. Zwischen ihr und dem kurz vor dem Ende seiner militärischen Laufbahn stehenden Blocker entspinnt sich eine zarte wie gleichwohl distanzierte Annäherung. Es ist die Verbindung zweier Menschen, die einfach zu viel Tod erlebt haben.

Daneben steht insbesondere das zögerlich wachsende Verständnis zwischen Soldat und Indianerhäuptling im Zentrum der Erzählung. Dieser Prozess samt der Gegenüberstellung der einstigen Kontrahenten hätte zum Klischee-Feuerwerk avancieren können. Doch Cooper bleibt seinem konsequent nüchternen Duktus treu und kreiert eine bedrückende Grundstimmung, der die Bilder seines angestammten Kameramannes Masanobu Takayanagi („Spotlight“) bisweilen deutlich widerstreben. Geprägt wird die Reise durch zerklüftete Lande (und traumatische Gefühlswelten) auch vom Kommen und Gehen der Nebenfiguren. Das Gehen vollzieht sich häufig gewaltreich. Gestorben wird beiläufig, dreckig, nicht selten unwürdig.

Die Grundlage des Drehbuchs stammt vom 1999 verstorbenen Autor Donald Stewart (für „Vermißt“ 1983 mit einem Oscar prämiert). Dessen Witwe gab den Entwurf an Cooper weiter, der ihn ausformulierte und daraus ein kraftvolles, vom Score des deutschen Komponisten Max Richter („Taboo“) sattsam untermaltes Drama zimmerte, das klassischen Western-Konventionen entsagt. Die Besetzung, zu der auch Stephen Lang („Avatar“), Peter Mullan („Ozark“), Ben Foster („Hell or High Water“) und der in seiner letzten Rolle agierende Scott Wilson („The Walking Dead“) zählen, lotet die emotionale Komplexität der Figurenkonstellationen eindringlich aus. Umso verblüffender erscheint, dass das Ende zumindest für einen Teil der Protagonisten die Aussicht auf ein Leben abseits von Tod und Gewalt offeriert. Ein mitunter schwer verdaulicher und doch rundheraus bemerkenswerter Film.  

Wertung: 8.5 out of 10 stars (8,5 / 10)

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