Mit dem Mythos vom aufrechten Helden wollten Regisseur Lawrence Kasdan und Produzent/Hauptdarsteller Kevin Costner aufräumen, als sie im Zuge des kurzlebigen Western-Revivals Mitte der Neunziger die Geschichte des berühmten Wyatt Earp verfilmten. Der erst 1929 verstorbene Revolverheld, dessen bewegtes Leben bereits Dutzenden Filmen als Inspirationsquell diente, wurde oft zum aufrechten Gesetzeshüter verklärt. Wenn Costners Earp am Ende des Films, angesprochen auf eine lang zurückliegende und für ihn nahezu verblasste Heldentat, nur müde konstatiert, er wisse selbst nicht mehr so genau, was Wahrheit und Legende sei, wird die Kraft des Kinos, die Macht der Bilder, als Gaukelei einer eigenen Vorstellung von Realität entlarvt.
Was das für ihren eigenen Film bedeutet, darüber sind sich Kasdan und Costner, die bereits beim Spät-Western „Silverado“ zusammengearbeitet hatten, bewusst. Doch der Spagat zwischen der Deklination bewährter Schaubilder, dramaturgischer Staffagen und Wahrheitsfindung gelingt überraschend kraftvoll. Trotz seiner 190 Minuten Laufzeit ist das Epos Earp erstaunlich kurzweilig, weil die Mosaiksteine eines rastlosen Seins an der Schnittstelle von glaubhafter Überlieferung und ´Larger than Life´-Prinzip nahtlos ineinander greifen. Am Anfang steht die Familie, die der strenge Vater (Gene Hackman, Oscar für „Erbarmungslos“) als einzig gültige Konstante vor äußeren Einflüssen nahezu abschottet und den Zusammenhalt als oberstes Gut predigt. Aber Wyatt, zweitjüngster Sohn, zieht es in die Weite von Prärie und Abenteuer.
Die väterliche Doktrin prägt ihn trotzdem maßgeblich und determiniert sein zuweilen eigenwilliges Bild von Loyalität und Rechtsprechung. Früh verliert er Frau und Kind, verfällt im Gram dem Alkohol und wird zum Pferdedieb. Die Rehabilitation erfolgt als Gesetzeshüter. Hier beginnt die Legende, die Aussparung der Vergangenheit. Im Westen macht er sich einen Namen, der ihm fortan bei all seinen Stationen vorauseilt. Vor allem die Schießerei am O.K. Corral – der Aufbruch der Earp-Brüder bildet den Prolog des Films –, sonst Schlussakt diverser Geschichten über den Marshall mit krimineller Vergangenheit, wird unter Kasdan vom Höhe- zum Wendepunkt. Der Kampf gegen die Clanton-Bande um Wortführer Ike (Jeff Fahey, „Body Parts“) in Tombstone wird somit von seiner Endgültigkeit befreit. Denn gestorben wird elend und dreckig, weit weg von Heldentum und Glorie.
Wyatt verstrickt sich nach der Ermordung seines jüngeren Bruders Morgan (Linden Ashby) in eine Blutfehde, die er wie einen Kreuzzug für die Familie begeht, dabei aber die Unversehrtheit seiner anderen Brüder (u.a. Michael Madsen, „Reservoir Dogs“) rücksichtslos aufs Spiel setzt. An seiner Seite bleibt als treuer Gefährte der schwindsüchtige Doc Holiday (Dennis Quaid, „The Big Easy“) – und seine Liebe, die lebensfrohe Schauspielerin Josie (Joanna Going), die seine Trennung von der drogenabhängigen zweiten Ehefrau (Mare Winningham) bestärkt. Bei all diesen ineinander greifenden Geschichten und Nebenhandlungen bleibt „Wyatt Earp“ um eine akkurate historische Darstellung bemüht. Aber Mythos und Pathos bleiben dennoch ständige Zaungäste dieser opulent gestalteten und ansehnlich gespielten Breitwand-Biografie. Hollywood bleibt eben doch Hollywood.
Wertung: (6,5 / 10)