„When my father passed, I wanted nothing more than my mother’s happiness. For what kind of man would I be if I did not help my mother? If I did not save her?“ – Peter
Ein Western, der keiner ist. Mehr noch: Ein mit zwölf Oscar-Nominierungen bedachtes Drama, das in seiner Sperrigkeit kaum Zugänge bietet. Dennoch ist „The Power of the Dog“ ein bemerkenswertes Filmwerk; insbesondere visuell und schauspielerisch. Hervorzuheben bleibt zudem Regisseurin Jane Campion, die für den Klassiker „Das Piano“ (1993) zu Oscar-Ehren kam, und auf Basis des Buches von Thomas Savage auch das Drehbuch schrieb. Gerade der letztgenannte Aspekt beeindruckt, da sich die tragische Familien- und Beziehungsgeschichte vorrangig um Maskulinität rankt.
Im Montana des Jahres 1925 (gedreht wurde in Campions Heimat Neuseeland) haben es die Brüder Phil (Benedict Cumberbatch, „The Imitation Game“) und George Burbank (Jesse Plemons, „The Irishman“) zu Reichtum gebracht. Der charismatische Phil, der sein Bild von Männlichkeit dem verstorbenen Mentor Bronco Henry zuschreibt, ist emotional verhärtet und fühlt sich dem eigenen Tagwerk in einer Weise verpflichtet, die es kaum erlaubt, den damit verbundenen Schmutz von Körper und Kleidung zu waschen. Der sensible, vom Bruder mitunter herablassend behandelte George ist anders. Das zeigt sich, als er nach einem Viehtrieb die verwitwete Rose (Plemons Gattin Kirsten Dunst, „Melancholia“) kennenlernt, deren Sohn, der zarte Peter (Kodi Smit-McPhee, „Slow West“) von Phil ob seiner femininen Züge verspottet wird.
Ein Film wie dieser erscheint in Hollywood (ähnlich Paul Thomas Andersons „There Will Be Blood“, 2007) ungeachtet der großen Namen vor wie hinter der Kamera wie ein Fremdkörper. Der Erzählfluss ist bedächtig, die Entwicklung der Figuren wird durch kleine Gesten skizziert. Für ein Massenpublikum ist das ungeeignet. Campion zielt nicht auf Unterhaltung, sondern auf intime Charakterstudien, deren Interpretation den Zuschauenden überlassen bleibt. Oft sind es lediglich Andeutungen. Gerade im Hinblick auf unterdrückte Homosexualität. Triebfeder der unbequemen, durch den Score Jonny Greenwoods („Der seidene Faden“) getragenen Stimmung ist der groß aufspielende Cumberbatch, dessen Phil Schwägerin Rose nach der Vermählung mit George gezielt (und meist versteckt) herabwürdigt.
Die Folge ist Alkoholismus, die auch von Peter bezeugt wird, als er, mittlerweile angehender Medizinstudent, den Sommer auf der Ranch verbringt. Während er Tiere seziert und die Anfeindungen von Phil und Helfern weitgehend teilnahmslos hinnimmt, baut sich eine zögerliche Bindung zwischen ihm und dem tyrannischen Stiefonkel auf. Die Deutung des Verlaufs und mehr noch dessen Konklusion als Anti-Klimax bürdet Campion ebenfalls dem Publikum auf. Das macht „The Power of the Dog“, in Nebenrollen u. a. mit Frances Conroy („Six Feet Under“), Keith Carradine („Deadwood“) und Adam Beach („Feinde – Hostiles“) besetzt, zu einer rundheraus fordernden Erfahrung. Dass diese lohnt, obgleich vornehmlich für die Arthouse-affine Klientel, verdeutlicht neben den eindrücklichen formalen Aspekten – die Bilder der Kameraverantwortlichen Ari Wegner („Das blutrote Kleid“) sind eine Augenweide – eben auch die erstklassige Riege der Hauptdarstellenden. Es muss ja nicht immer Hollywood sein.
Wertung: (8 / 10)