The New World (USA/GB 2005)

the-new-world-2005Terrence Malick ist Hollywoods Eremit. Inklusive „Badlands“, seinem Kinodebüt von 1973, drehte er vier Filme. Malick hat die Zeit auf seiner Seite, die befindlichkeitsfixierten Expressionen des meisterlichen Saisonarbeiters heben sich deutlich vom Tross amerikanischer Kinoklassiker ab. Der 62-jährige trotzt der auf Omnipräsenz und Öffentlichkeit ausgerichteten Filmindustrie mit Abwesenheit. Er muss sich nicht inszenieren, um im Gespräch zu bleiben. Das bedingt die Fokussierung auf sein Gesamtwerk, ein Oeuvre ästhetischer Geschlossenheit.

Malicks Filme sind verbunden durch das Konstrukt emotionaler Weiten. In der Aufhebung zeitlicher Bedeutung ist weniger eine durchgängig erzählte Geschichte das Zentrum, sondern individuelle Stimmungsbilder. Eine besondere Funktion fällt der Natur zu, welche die zumeist aus verschiedenen Blickrichtungen formulierten Wahrnehmungen transportiert. In „The New World“ widmet sich der Auteur der populären Pocahontas-Legende. Sie ist Sinnbild für das Vielvölker-Amerika, den Schmelztiegel verschiedener Kulturen. Q´Orianka Kilcher verkörpert die Häuptlingstochter als naiv naturverbundene Instanz. Sie ist es, die den englischen Kulturimperialisten in einem harten Winter Nahrung bringt. Sie ist das Sinnbild einer funktionierenden multikulturellen Gesellschaft.

Aber gerade auf dies romantisch verquere Bildnis will sich der Film nicht einlassen. Die multikulturelle Gesellschaft funktioniert, aber nur wenn sich das Naturvolk dem Wandel der Zeit unterordnet. Im Verlauf des Films wird Pocahontas von den Siedlern gefangen genommen und als Druckmittel im schwelenden Konflikt mit den Eingeborenen benutzt. Sie passt sich der ihr fremden Kultur an, mit geringerem Widerstand als zu erwarten wäre. Das Gefühlstohuwabohu mit John Smith („Alexander“-Darsteller Colin Farrell) scheint das größere Problem. Einst bewahrte Pocahontas den Fremden vor dem Tode, als sie sich vor den Speeren ihrer Stammesbrüder schützend über ihn warf. Der Beginn einer Romanze ohne Zukunft.

„The New World“ hätte im Subtext leicht politische Stellung beziehen können. Aber Terrence Malick verzichtet auf derlei Belange und verbleibt in einem Schwebezustand emotionaler Ziellosigkeit. Gerade aus diesem Grund bleiben die deutlichen Parallelen zu „Der schmale Grat“ (1998), Malicks spirituellem Antikriegs-Essay, ohne Kraft. Während wüster Kampfhandlungen bricht die Kamera aus dem Getümmel sich windender Körper aus, blickt in hektischen Schwenks gen Himmel oder auf ein verendetes Tier. Daneben sind es vor allem die betörenden Naturaufnahmen, die diese Unwucht unterstreichen. Der Kontrast zwischen Mensch und Natur erfährt seine visuelle Sublimierung durch endlose Einstellungen sanft im Wind wiegender Grasflächen und durch Baumwipfel dringender Sonnenstrahlen. Das Paradies wird von den Siedlern entweiht. Da im Film aber vordergründig Gefühlszustände verklebt werden, steht die Naturkulisse für sich.

Der Einklang der hypnotischen Bilder mit der Erzählung schlägt fehl, auch weil die nachdenklichen Off-Kommentare der Protagonisten, die große Stärke von „Der schmale Grat“, aufgesetzt wirken, nicht selten gar überflüssig. Die eindringlichste Szene entwickelt sich in Großbritannien. Pocahontas, in der Zwischenzeit mit dem wohlhabenden John Rolfe (Christian Bale, „The Machinist“) vermählt, wird auf ihrer Reise in die alte Welt von Opechancanough (Wes Studi, „Geronimo“) begleitet. Der Gang des naturverbundenen Eingeborenen durch einen sorgsam arrangierten englischen Garten, mit getrimmten Hecken und in Form geschnittenen Bäumen, entfaltet in seiner wenig subtilen Symbolik jene Wucht, die „The New World“ über weite Strecken vermissen lässt.

Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

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