Fortsetzungen gehören in Hollywood nicht erst seit gestern zum guten Ton. Umso erstaunlicher erscheint, dass deutschen Produzenten diese Art von Kommerzkontinuität kaum geläufig zu sein scheint. So musste Columbia in Übersee höchstselbst einschreiten, um die Partner im alten Europa auf die wirtschaftliche Notwendigkeit einer Fortsetzung des international respektabel erfolgreichen Slasher-Thrillers „Anatomie“ aufmerksam zu machen. Und so geriet der Stein des Anstoßes ins Rollen und „Anatomie 2“ letzten Endes in die Kinos. Auf dem Regiestuhl nahm erneut Stefan Ruzowitzky Platz, der sich auch für das Verfassen des Drehbuchs verantwortlich zeigt. Doch gegen die auf bundesdeutscher Ebene mit beachtlicher Publikumsresonanz angelaufenen Früchte seiner Arbeit halten indes nicht mal Arzt oder Apotheker ein probates Mittelchen bereit.
Als der ambitionierte Jungmediziner Jo (Barnaby Metschurat) in einem Berliner Großklinikum eine Stelle als Praktikant antritt, steigt er durch seinen trotzigen Charakter und das Streben nach medizinischen Durchbrüchen schnell in der Gunst des anerkannten Professors Charles Müller-LaRousse (Herbert Knaup). Der ist überzeugter Anhänger der Geheimloge der Anti-Hippokraten und Leiter eines geheimen Forschungsprojektes. Jenes befasst sich mit Entwicklung und Einsatz von synthetischen Muskelpartien und wird durch eine Gruppe dem Geheimbund ebenfalls zur Treue verpflichteter junger Ärzte (darunter Heike Makatsch, Frank Giering und August Diehl) gefolgsam in die Tat umgesetzt. Der überschaubare Zirkel auserwählter Mitstreiter erfährt durch Jo schon bald personelle Verstärkung und treibt die Forschung in makabren Selbstversuchen stetig voran. Beinahe zu spät muss er jedoch erkennen, dass der manipulative Professor in seiner skrupellosen Art, das Projekt zu schützen, auch vor Mord nicht zurückschreckt.
Die Story von „Anatomie 2“ ruht auf weit eigenständigeren Füßen als es noch beim Vorgänger der Fall war. Doch von diesem beinahe einzig positiv anzumerkenden Element abgesehen lässt der fade Thriller stark zu wünschen übrig und eine klare Erzählstruktur schmerzlich vermissen. Ideenlos und ohne jeden Anflug von Spannung plätschert der Plot über zähe 100 Minuten dahin und offeriert derart große Löcher im Handlungsgefüge, dass wohl nicht einmal versierte Chirurgen noch in der Lage wären, diese zu flicken. Statt die durchaus reizvolle Geschichte voranzutreiben, vollführt Stefan Ruzowitzky einen gnadenlosen Rundumschlag mit der obligatorischen Klischee-Keule. Obendrein erzeugt das pseudo-zeitgemäße optische Tuning mit verwackelter Kamera, konfusen Zoom-Experimenten und kantigen Schnitten den Eindruck eines gewollt individuellen Stilismus.
Das erschreckend schwache Skript fährt in beinahe unentwegter Folge Dialoge am Rande der Lächerlichkeit auf und lässt die Protagonisten von einer Ungereimtheit in die nächste stolpern. Die namhaften Darsteller um den zwischen Banalität und Überzeugungskraft taumelnden Jungstar Barnaby Metschurat („Solino“) vermögen daher in kaum einer Szene Ausdruckskraft zu entwickeln. Heike Makatsch („Nackt“) nimmt man den männerfressenden Vamp partout nicht ab, die Rollen von August Diehl („Tattoo“) und dem sonst beinahe beängstigend guten Frank Giering („Absolute Giganten“) erscheinen schlicht unbedeutend und der desolate Herbert Knaup („Lola rennt“) amüsiert mit seinem affektierten Auftreten mehr als dass er überzeugen könnte.
Hinzu gesellt sich ein absolut sinnfreier Kurzauftritt von Franka Potente („Die Bourne Identität“) als BKA-Mitarbeiterin, der das Bestreben vermittelt, eine vollkommen unnötige Brücke zum ersten Teil schlagen zu müssen. Mehr Thriller als Slasher, hat „Anatomie 2“ dieser mutigen Kurskorrektur zum Trotz keinerlei Ideen zu bieten und versteht es nicht einmal, aus den gängigen Ingredienzien des internationalen Genrekinos einen bekömmlichen Eintopf zu bereiten. Somit wäre Regisseur Stefan Ruzowitzky aufgrund dieses substanzlosen Aufgusses von einer weiteren Fortführung des Themas dringend abzuraten.
Wertung: (3 / 10)