American Horror Story: Asylum (Season 2) (USA 2012)

ahsasylum„Mental illness is the fashionable explanation for sin.“ – Sister Jude

Das Konzept der Horror-Reihe „American Horror Story“ sieht mit jeder Staffel eine Neuerfindung vor. Über 12 Episoden wird dabei stets eine eigenständige, in sich (weitgehend) geschlossene Geschichte erzählt. Gleich bleibt lediglich die Besetzung, aus der in Staffel eins die zweifache Oscar-Preisträgerin Jessica Lange („Blue Sky“) herausstach. Für ihre Rolle in der von Brad Falchuck und Ryan Murphy („Glee“) erdachten Serie wurde sie verdient mit einem Emmy ausgezeichnet, was dem nicht zwingend auf den Geschmack eines Massenpublikums zugeschnittenen Konzept zusätzliche Beachtung bescherte. Doch so hervorragend die Auftakt-Season begann, so deutlich fiel sie qualitativ gegen Ende ab. Die Erwartungen an die Folgestaffel waren entsprechend von Vorfreude und zugleich (dezenter) Skepsis geprägt.

Tatsächlich hat auch „Asylum“, so der Beititel der ersten Neuausrichtung, seine Schwachpunkte. Im Vergleich zu Season eins ist da vor allem der Spannungslevel zu nennen, der nicht nur inkonsistent, sondern bisweilen auch non-existent erscheint. Dafür entschädigt insbesondere die unbekümmerte Vermengung verschiedener Einflüsse und Genres – sowie die illustre Schar namhafter Gastakteure. Das mysteriöse Moment behalten die Macher bei, ergänzen dieses jedoch um eine Vielzahl abgefahrener, von tiefschwarzem Humor begleiteter Ideen. Grundstock der Handlung sind die Geschehnisse in und um die von der Kirche geführte Psychiatrie Briarcliff, Abschiebehort der Ausgestoßenen und Hoffnungslosen, die durch die Figurenfülle von den frühen Sechzigern bis in die Gegenwart getragen werden.

Der Auftakt gibt sich blutig, wenn ein in den Ruinen der geschlossenen Anstalt umherstreifendes Pärchen von einem maskierten Killer traktiert wird. Dieser mit dem Verlust eines Armes ihren ersten splattrigen Höhepunkt findende Rahmen wird immer wieder aufgegriffen, erhält aber erst gegen Ende sinnhafte Einordnung ins narrative Gesamtkonstrukt. Das widmet sich vorrangig Tankwart Kit Walker (Evan Peters), der des Mordes an seines afroamerikanischen Gattin Alma (Britne Oldford) bezichtigt und als gefürchteter Serienmörder „Bloody Face“ nach Briarcliff verfrachtet wird. Seinen Aussagen über die Entführung durch Außerirdische schenkt niemand glauben. Interesse weckt sein Fall jedoch bei der investigativen Journalistin Lana Winters (Sarah Paulson), die sich in die Heilanstalt einschleust, um Stoff für eine exklusive Reportage zu erhalten.

Obwohl der mit Ambition auf einen Vatikansposten das Tagesgeschäft führende Monsignor Timothy Howard (Joseph Fiennes, „Shakespeare in Love“) offiziell die Anstaltsleitung inne hat, sind es andere, die in Briarcliff das Sagen haben: Die von dunkler Vergangenheit in die Arme des Klerus getriebene Ober-Nonne Sister Jude (Jessica Lange) und der dubiose Mediziner Dr. Arden (James Cromwell, „L.A. Confidential“). Die beiden können sich nicht ausstehen und versuchen kontinuierlich, die Position des anderen zu untergraben. Dass Arden, der unmenschliche Versuche an den Patienten durchführt und im angrenzenden Wald ein Rudel missgebildeter Gestalten ausgesetzt hat, bald in Verdacht gerät, ein einstiger KZ-Arzt zu sein, scheint der strengen Jude den entscheidenden Trumpf zu bescheren.

„There is no God. Not a God who would create the things I saw.“ – Kit Walker

Ein heruntergekommenes Irrenhaus in Kirchenhand? Ein über die Jahrzehnte sein Unwesen treibender Serienkiller? Die Heimsuchung durch Aliens? Ein in Amerika untergetauchter Nazi-Doktor? „American Horror Story: Asylum“ setzt keine Grenzen und wer glaubt, damit wäre die Ideendichte bereits ausgeschöpft, der irrt gewaltig! Nachdem die Grundkonstellation vorgestellt und der (vermeintliche) Killer eingebuchtet wurde, deklinieren die Macher in verschiedenen Nebenhandlungen eine Vielzahl verschiedener Horror-Motive und Sub-Genres durch. Die schüchterne Nonne Mary Eunice (Lily Rabe) wird während eines Exorzismus vom ausgetriebenen Dämon befallen und verwandelt sich in einen gottlosen Vamp, eine traumatisierte Mutter (Franka Potente, „Shanghai“) hält sich für Anne Frank und zum Weihnachtsfest vergießt ein als geläutert geltender Feiertagskiller („Deadwood“-Star Ian McShane) neuerlich Blut.

Dazwischen bandelt Kit mit der Elternmörderin Grace (Lizzie Brocheré) an und Dank Judes‘ Erpressung von Lanas lesbischer Lebensgefährtin (Clea DuVall, „Carnivalé“) wird die Reporterin zum Dauergast in Briarcliff. Die nymphomane Shelley (Chloë Sevigny, „Hit & Miss“) landet auf Dr. Ardens Operationstisch und der für ein psychologisches Gutachten von Bloody Face konsultierte Psychiater Oliver Thredson („Star Trek“-Star Zachary Quinto) macht Lana Hoffnung auf baldige Entlassung. Doch natürlich kommt alles ganz anders in diesem abgründigen Dutzend Episoden, das der Fülle an Charakteren trotz einer gewissen Oberflächlichkeit die nötige Tiefe verleiht. Die Darsteller, zu denen auch Mark Margolis („Breaking Bad“) und der aus der Vorgängerstaffel bekannte Dylan McDermott („Olympus Has Fallen“) zählen, zeigen neuerlich vollen Einsatz. Hervor sticht neben Lange, dem Emmy-prämierten Cromwell und Quinto vor allem die in Season eins noch unscheinbare Lily Rabe.

Die Ideenfülle führt „Asylum“ beizeiten an den Rand der Überfrachtung. Aber der Unterhaltungswert – man beachte allein die skurrile, von Jude nach eigener Einweisung zusammenhalluzinierte Musicaleinlage – bleibt enorm und das lange undurchsichtige Plotknäuel wird gen Ende mit deutlichen Wechseln in Tonalität und dramaturgischer Auskleidung entknotet. Dieser weitschweifige Richtungswechsel war bei der Auftaktstaffel noch das größte Manko und führt auch hier zu Reibungsverlusten. Der Unterschied ist jedoch, dass Falchuk und Ryan diesmal für alle Figuren ein zumindest erzählerisch befriedigendes Ende finden und den Zusammenhalt über zeitliche und räumliche Grenzen hinweg wahren.

Dass der Horror am Ende weitgehend verflogen ist und den meisten Protagonisten ein nahezu „irdisches“ Ende vorbehalten bleibt, ist dem munteren Stil- und Genremix kein negatives Gegengewicht. Der vollendeten Ausschöpfung ihrer Möglichkeiten ist die Reihe damit ein Stück näher gekommen. Auf ungeteilte Gegenliebe wird das auch in zweiter Instanz nicht stoßen. Aber wer will sich ob der fantastisch besetzten, stimmungsvoll ausgestatteten und mit reichlich Blut beschmierten Verzerrung klassischen Dramas schon beschweren? Und wem es diesmal weniger gefallen hat, der kann ja bei Staffel drei einen neuen Anlauf wagen. Denn „American Horror Story“, so viel steht fest, wird sich auch im nächsten Schritt neu erfinden.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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