Regisseur Wes Anderson und Darsteller Owen Wilson sind zurück! Nach Andersons Regiedebüt „Bottle Rocket“ (1996) und seinem hochgelobten Meisterstück „Rushmore“ (1998) folgt mit „The Royal Tenenbaums“ nun ihre dritte Zusammenarbeit. Bei der zeigen sich die beiden auch für das Oscar-nominierte Drehbuch verantwortlich. Die Geschichte rankt sich um Royal Tenenbaum (Gene Hackman) und seine neurotische Sippschaft, in deren Schoß der kauzige Egomane nach zwei Jahrzehnten zurückkehren will. Grund dafür ist der Plan seiner trotz Trennung noch immer ihm angetrauten Ehefrau Etheline (Anjelica Huston), den liebenswerten Steuerberater Henry Sherman (Danny Glover) zu ehelichen.
Da der finanziell ausgetrocknete Royal obendrein seinem Hotelzimmer verwiesen wird, dichtet er sich kurzerhand eine tödliche Krankheit an und bezieht einen eigenen Raum im Familienanwesen, Sterbebett und geliehene Krankenhausutensilien mit im Gepäck. Den gemeinsamen Kindern, nach 17 Jahren erstmals wieder unter einem Dach vereint, passt dieser Umstand so gar nicht, schließlich hat jeder Spross auf seine ganz eigene Art ein Hühnchen mit dem Erzeuger zu rupfen. Da ist Chas (Ben Stiller), bereits in Kindertagen durch diverse Immobiliengeschäfte zu Reichtum gelangt und für die Kreation von Dalmatiner-Mäusen verantwortlich. Durch den tragischen Unfalltod seiner Frau ist er zum Sicherheitsfanatiker verkommen und kehrte aufgrund der eklatanten Mängel der Schutzfähigkeit seiner eigenen vier Wände samt beiden Söhnen in Mutters Domizil zurück.
Adoptivtochter Margot (Gwyneth Paltrow), bereits vor dem Verlassen der Schule eine gefeierte Theaterautorin, entflieht der Ehe mit dem Neurologen Raleigh St. Claire (Bill Murray), während Richie (Luke Wilson), einst gefeierter und umjubelter Tennisprofi, im familiären Wohnsitz ein Zelt im obersten Stockwerk bewohnt. Über die Jahre hinweg schrumpfte das kollektive Genie des Tenenbaum-Clans jedoch bis zur Nichtigkeit, so dass nach einer unentwegten Folge persönlicher Niederschläge lediglich die abgewrackten Charakterzüge der depressiven Kinder an der Oberfläche treiben. Doch Royal denkt nicht im Traum daran, seine ihm längst entglittene Familie kampflos aufzugeben. Zu allem Überfluss betreibt Margot eine Affäre mit Eli Cash (Owen Wilson), Freund der Familie seit Kindertagen und mäßig erfolgreicher Autor. Die zieht eine Kette von Ereignissen nach sich, die das gespannte Verhältnis der Tenenbaums noch verkompliziert. Schlüssel zur Lösung der kollektiven Familienmisere scheint letztlich ausgerechnet der taktlose Royal zu sein.
„The Royal Tenenbaums“ ist verrückt, skurril, genial, eine melancholische Familienposse im Gewand einer Independent-Produktion. Wes Andersons dritte Regiearbeit strotzt vor ironischem Einfallsreichtum und präsentiert die Geschichte der kauzigen Sippschaft in seltsam distanzierten Bildern. Dabei heben sich die poppig-kitschige Ausstattung und das detailverliebte Bühnenbild wohltuend aus der Masse üblichen Filmstoffes heraus und erscheint in völlig überzogenem Maße verspielt. Allein das in exakt identische Trainingsanzüge gekleidete Familiengeäst von Chas und seinen Söhnen rechtfertigt dabei das Ansehen. Doch muss betont werden, dass der hier vorherrschende Humor kaum zugänglich für jedermann gestaltet ist. Der Witz des Wes Anderson ist subtil, unterschwelliger Natur und von daher definitiv nicht für ein breites Publikum angelegt.
Der Erfolg des Films, der allein in den USA auf ein Einspielergebnis von mehr als 40 Millionen Dollar zurückblicken kann, ist wohl nur mit der Prominenz des Darstellerensembles zu erklären. Das hält neben den Oscar-Preisträgern Gene Hackman („Erbarmungslos“) und Gwyneth Paltrow („Shakespeare in Love“) noch Anjelica Huston („Blood Work“), das Brüderpaar Luke und Owen Wilson, Ben Stiller („Meine Braut, ihr Vater und ich“), Bill Murray („Wild Things“) und Danny Glover („Die Farbe Lila“) bereit. Sie alle gehen erfrischend zurückhaltend und dezent zu Werke. Als Off Erzähler der Geschichte fungierte im Original übrigens Alec Baldwin („Jagd auf Roter Oktober“).
So ist „The Royal Tenenbaums“ eine Offenbarung für das unabhängige Kino der Neuzeit, eine Tragikomödie voll eigenwilligen Humors und tief verschachtelten Charakteren, die dem Betrachter am Ende seltsam vertraut erscheinen. Vielleicht aus dem Grunde, dass sich die Sippe eines jeden einzelnen von uns in den emotionalen Abgründen der Tenenbaums reflektieren kann.
Wertung: (8,5 / 10)