„Some people are so ungrateful to be alive, but not you… not anymore.” – Jigsaw
Je überraschender der Erfolg in Hollywood eintritt, desto größer wiegt die Gefahr des konzeptionellen Ausverkaufs. Mit „Saw“ legten James Wan und Leigh Whannell 2004 einen originellen Low-Budget-Thriller vor, der Kritiker und Publikum gleichermaßen zu Lobeshymnen hinriss. Nur ein Jahr später folgte der erste Nachklapp. Regie führte diesmal Darren Lynn Bousman („Identity Lost“), der auch das Grundgerüst des Drehbuchs lieferte. Ursprünglich unter dem Titel „The Desperate“ verfasst, stieß die Geschichte über Jahre auf Desinteresse bei den Produzenten. Erst der kommerzielle Siegeszug von „Saw“ entflammte die Überzeugung für Bousmanns Idee, die von Leigh Whannell schließlich in den Kosmos des diabolischen Killers Jigsaw übertragen wurde. Das Ergebnis riecht nicht vollends nach Schnellschuss, kann die obligatorische Sequel-Flachheit aber nur schwer übertünchen.
Überhaupt ist „Saw II“, produziert für schlappe 4 Millionen US-Dollar, recht konventionell geraten. Der in seinen Problemwelten gefangene Cop Eric Matthews (Donnie Wahlberg, „Dreamcatcher“) hadert mit der gescheiterten Ehe und der kriminellen Energie seines pubertierenden Sohnes Daniel (Erik Knudsen, „Booky Makes Her Mark“). Als Eric mit einer Spezialeinheit und Kollegin Kerry (Dina Meyer, „Starship Troopers“) ins Quartier des prominenten Serienmörders Jigsaw (Tobin Bell, „The 4th Floor“) eindringt, wird er von jenem in ein diabolisches Spiel verwickelt. Per Überwachungsmonitor werden die Beamten Zeuge, wie eine Gruppe Menschen (u.a. Glenn Plummer, „The Day After Tomorrow“ und Shawnee Smith, „Carnival of Souls“) in einem abgeriegelten Haus um ihr Leben kämpft. Einer der Eingeschlossenen ist Daniel, was Erics Geduld auf eine harte Probe stellt.
Sichtlich um Originalität ringend versucht Darren Lynn Bousman, der unlängst die Dreharbeiten zum dritten Teil der Reihe abschloss, die psychologische Raffinesse des Vorgängers zu kopieren. Das Bedauerliche daran ist die Sublimierung der Grausamkeit, suhlt sich „Saw II“ doch geradezu in drastischen Bildern und offenem Sadismus. Was den Splatter-Freund ergötzt, geht jedoch spürbar auf Kosten der Spannung. Die Ausweitung der Gefahrenzone auf ein ganzes Haus mag die logische Steigerung der klaustrophobischen Restriktion des ersten Teils sein, übt im Gegenzug aber weit weniger Faszination aus. Überhaupt ist der mitunter merklich aus verschiedenen Einzugsbereichen zusammengeschusterte Plot arg konstruiert und zudem übervölkert mit profillosen Protagonisten. Schauspielerisch zwar ohne Ausfall, bleiben die soliden Akteure der zeitweiligen Irrationalität der vorgegebenen Handlungsweisen hilflos ausgeliefert.
Die Charakterzeichnung bleibt inkonsequent, statt Sympathie ernten die Figuren höchstens Mitleid. Die Anschlusspunkte zum Original sind eher beiläufig gestreut, das Bemühen um eine Weiterentwicklung des Hintergrunds indes bleibt spürbar. Allerdings raubt die Ausweitung der Bedeutung Jigsaws, der sich mit technischem Folterinstrument und sardonischen Fallen auch diesmal als Personalunion aus Richter und Henker aufspielt, der Figur einen Großteil ihrer Unergründlichkeit. Die Krebserkrankung als Motiv ist schlicht, die moralische Umkehrung des Todkranken in die Opferrolle schlecht. Trotz mancher Vorhersehbarkeit behält der Film eine ungemütliche Grundstimmung bei, die durch gelungene Wendungen und ein böses Finale Konstanz erhält. „Saw II“ bleibt fraglos hinter dem Vorgänger zurück, fertigt das Publikum aber dennoch mit einem grundsoliden Schocker ab.
Wertung: (5 / 10)