„Once upon a time… in Nazi-occupied France“
Quentin Tarantino dichtet die Geschichte um. Filmhistorie hat der eigenwillige Auteur längst geschrieben, als er das Independent-Kino mit „Pulp Fiction“ neu definierte. Seine im Berliner Raum entstandene Weltkriegs-Farce „Inglourious Basterds“ knüpft in ihrer zelebrierten Geschwätzigkeit, der eruptiven Gewalt und dem subtilen Anspielungspanorama an diesen Meilenstein des modernen B-Films an. Mit der Kraft des Kinos – und selbstverständlich in einem Kino – bringt der Kult-Regisseur (ähnlich Lubitschs „Sein oder Nichtsein“) das Hitler-Regime zu Fall. Ein brutales Märchen mit Augenzwinkern.
Nach der überschätzten Eastern-Homage „Kill Bill“ und dem faden Exploiter „Death Proof“ findet Tarantino in redseliger Gemütlichkeit zu alter Klasse zurück. Gegliedert in fünf Akte, stülpt er dem Skript die Form des Theaters über und unterläuft einmal mehr die traditionelle filmische Erzählstruktur. Ein Höhepunkt bereits der Prolog, ein bald zwanzig Minuten dauerndes Gespräch zwischen französischem Landwirt und SS-Offizier. Die süffisante Zuspitzung der Situation, bis zu ihrer gewaltsamen Explosion, gibt den narrativen Rhythmus vor – und führt mit Christoph Waltz („Das Finale“) das Herzstück des Werkes ein.
Der spielstarke Österreicher, der bei den Filmfestspielen in Cannes mit dem Darstellerpreis ausgezeichnet wurde, schien im Trott deutscher TV-Produktionen gefangen. Für Tarantino ist die Erweckung des großartigen Mimen ein schierer Glücksfall. Man muss die Wonne, diese kindliche Begeisterung einfach erlebt haben, mit der Waltz den gefürchteten Juden-Jäger Landa zwischen Etikette, Narzissmus und Barbarei anlegt. Und das idealerweise im viersprachigen Original, in dem er neben Deutsch und Englisch auch fließende Kenntnisse in Französisch und Italienisch beweisen darf.
Landa soll im kleinen Kino der französischen Jüdin Shosanna (Mélanie Laurent, „Tage des Ruhms“), wo unter den Augen Hitlers und seines Führungsstabs ein Propagandafilm über den Kriegshelden Zoller (Daniel Brühl, „Die Gräfin“) aufgeführt wird, für Sicherheit sorgen. Für die im Feindesland marodierende und Nazis skalpierende Bande des amerikanischen Offiziers Aldo Raine (lässig: Brad Pitt) – darunter „Hostel“-Regisseur Eli Roth als „Bärenjude“ – eine einzigartige Chance, den Krieg mit einem (An-)Schlag zu beenden. Den simplen Plot bauscht Tarantino kunstvoll auf – und spickt ihn mit Anleihen bei Spaghetti-Western und (selbstverständlich) Sonderkommando-Actioner (u.a. Castellaris „Ein Haufen verwegener Hunde“, dem originalen „Inglorious Bastards“).
Sehenswert auch die Besetzung (u.a. Michael Fassbender, „Eden Lake“), zu einem beachtlichen Teil mit deutschem Fachpersonal versehen. Neben dem wortkargen „Basterd“ Til Schweiger, der seine wenigen Momente sichtlich auskostet, erregt vor allem August Diehl („Die Fälscher“) als Nazi-Offizier Hellstrom Aufsehen. Der einzige Ausfall bleibt Diane Kruger („Klang der Stille“), der als revoltierendes Ufa-Sternchen von Hammersmark das nötige Charisma völlig abgeht. Vielschichtig und gewitzt treibt Tarantino sein überspitztes Drama einem infernalischen Showdown entgegen und zerlegt gar des „Fuehrer’s Face“ im Kugelhagel. Die Leinwand wird so zum Zerrspiegel der Realität. Aber Kino ist nicht umsonst eine Fabrik der Träume. Hier endlich mal wieder eine betont absurde.
Wertung: (8 / 10)