Die Braut trug schwarz (F/I 1968)

die-braut-trug-schwarz„Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?“, fragte François Truffaut 1966. Der Titel seines auf ausführlichen Interviews mit dem Meister der Suspense beruhenden Buches markiert einen Meilenstein der literarischen Auseinandersetzung mit dem Medium Film. Zwei Jahre später verbeugte sich der wohl renommierteste Vorkämpfer der Nouvelle Vague auch künstlerisch vor seinem Idol. Das suggestive Spiel mit Andeutungen und der Assoziation des Zuschauers macht das kühle Thriller-Drama „Die Braut trug schwarz“, eine Adaption des Romans von Cornell Woolrich, selbst zum Meisterwerk.

Am Tage ihrer Hochzeit schwor die Braut grausame Rache. Ihr Name ist Julie Kohler (Jeanne Moreau, „Jules und Jim“), im Augenblick des erfüllten Lebensglückes, auf den Stufen vor der Kirche, wird ihr Ehemann von einer Gewehrkugel niedergestreckt. Die Täter sind fünf Lebemänner, denen die gebrochene Witwe Jahre später nachstellt. In einem Notizbuch sind ihre Namen vermerkt. Nach jedem folgenschweren Besuch streicht sie einen davon durch (die Vorlage für Quentin Tarantinos „Kill Bill“ ist nur allzu offensichtlich). Unbeirrt und mit kaltherziger Präzision erschleicht sie sich Vertrauen und lüftet ihr Geheimnis erst im Augenblick des Todes.

Hintergrund und Motiv erschließen sich erst allmählich, durch die Erweiterung wiederholter Rückblenden. Geschickt verbindet Truffaut traditionelle Momente des Melodrams mit denen des Thrillers und weicht von der formalen Strenge nüchterner, obgleich kunstvoll arrangierter Bilder zu keiner Zeit ab. Die fünf Mörder, darunter ein Casanova, ein Politiker, ein Maler, repräsentieren die Gesellschaft, an der die Braut für das ihr widerfahrene Unheil Vergeltung übt. Sie nähert sich den Männern als Verkörperung ihres jeweiligen weiblichen Ideals. Bei der Ausführung ihrer präzis ausgetüftelten Tötungsarten hat sie damit leichtes Spiel.

Jeanne Moreau besticht als verführerischer Racheengel, der sich selbst durch schlussendliches Polizeigewahrsam nicht von ihren Plänen abbringen lässt. Seine Wirkung schöpft Truffaut aus der Andeutung, der Ausblendung. Der qualvolle Tod erhält erst im Geiste des Betrachters seinen Schrecken. Entsprechend gedämpft und subtil baut sich die Spannung auf. Die DVD-Veröffentlichung von Pierrot Le Fou fährt im Bonusmaterial einen Audiokommentar von Truffaut-Kenner Robert Fischer auf. Den Film mit seinen Anmerkungen zu erleben, lädt geradewegs zur neuerlichen Rezeption ein.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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