„Die dunkle Seite von Amelie.“ Mit diesem aufgesetzten Slogan zeigt Columbia sichtliches Bemühen, „Wahnsinnig verliebt“, ein puzzleartig strukturiertes Verwirrspiel aus Thriller und Romanze, in unseren Breitengraden zu propagieren. Somit wird bereits auf dem Cover der unrühmliche Versuch unternommen, das berufliche Schicksal von „Die fabelhafte Welt der Amelie“-Star Audrey Tautou zu besiegeln, indem der schauspielerische Horizont der jungen Französin schlicht auf diese eine Erfolgsrolle beschränkt wird. Dass die ausdrucksstarke Mimin, die bereits für ihr Kinodebüt „Schöne Venus“ (1998) einen Cesar als beste Nachwuchsdarstellerin einheimste und den bedeutendsten französischen Filmpreis für ihre umwerfende Performance in Jean-Pierre Jeunets Welterfolg 2001 erneut in Empfang nehmen konnte, jedoch zu weit mehr befähigt ist, stellt sie hier eindrucksvoll unter Beweis.
Die talentierte Kunststudentin Angelique (Audrey Tautou) hegt an Obsession grenzende Zuneigung für den erfolgreichen Kardiologen Loic (Samuel Le Bihan, „Pakt der Wölfe“). Sie überschüttet den verheirateten Mediziner mit kleinen Geschenken und Aufmerksamkeiten, doch scheinen alle Bemühungen, das Herz des Angebeteten für sich zu gewinnen, vergebens. Als Loic die hoffnungsvolle Angelique schließlich am Flughafen versetzt, dem geplanten Kurzurlaub nach Florenz augenscheinlich keinerlei Beachtung schenkend, bricht die Gefühlswelt der jungen Frau in sich zusammen und lässt die ohnehin gespannte Situation eskalieren.
Unter der Regie der erst 27-jährigen Laetitia Colombani, die hier nach einigen Kurzfilmen ihr Kinodebüt präsentiert und obendrein das Drehbuch verfasste, enstand die Charakterstudie einer strauchelnden Existenz am Rande der Besessenheit. Zu Beginn noch herzlich und romantisch anmutend, driftet das vielschichtige Werk schon bald in einen packenden Psycho-Thriller ab, der gekonnt und wirkungsvoll mit den aufgewühlten Emotionen der Zuschauer spielt und das Publikum lange Zeit über die tatsächlichen Begebenheiten im unklaren lässt. Dabei spaltet sich „Wahnsinnig verliebt“ in zwei Teile auf und beleuchtet die Tragödie einer unerfüllten Liebe aus den verschiedenen Blickwinkeln des vermeintlichen Paares. Raffiniert verschachtelt und erlesen bebildert, besticht der Film aber vor allem durch das intensive Spiel der sehenswerten Hauptakteure Audrey Tautou und Samuel Le Bihan.
Deren Charaktäre werden zwar nur oberflächlich charakterisiert, doch genügt diese knapp bemessene Vorstellung der Protagonisten, die aufkeimender Langatmigkeit unverzüglich einen Riegel vorschiebt, völlig. Als beinahe gängiges Stilmittel des französischen Kinos präsentiert sich auch diesmal die Ausstattung in steter detailverliebtheit schwelgend und zeitweise dezenter Symbolüberfrachtung ausgeliefert. Als Beleg soll an dieser Stelle lediglich der berufliche Stand des „Herzensbrechers“ Loic als Herzspezialist dienlich sein. Von unheilsschwangerer Atmosphäre durchzogen, sorgt Colombanis Kinoerstling, für 95 packende Minuten, gebettet in einen stimmigen Erzählrhytmus. Eine Geschichte von liebesbedingter Realitätsferne, überzeugend vermittelt und glänzend gespielt. Aus dem Schatten der Amelie dürfte Tautou somit ein respektables Stück herausgetreten sein.
Wertung: (7 / 10)