Es geht wieder rund in den Pariser Banlieues, den sozial schwachen Vororten der Seine-Metropole. Autos brennen, Menschen flüchten, Polizeikommandos ziehen auf. Schuld ist der ultrarechte Präsidentschaftskandidat. Er hat sich den Zorn des Präkariats zugezogen. Die Folge ist der Ausnahmezustand. Vier junge Männer und eine Frau nutzen die Tumulte zum Ausbruch. Sie begehen einen Überfall und wollen sich mit der Beute nach Holland absetzen. Doch „Frontier(s)“ ist kein Drama, keine Sozialparabel, sondern ein brettharter Horrorfilm. Also erwartet die Kriminellen auf dem Weg in ein besseres Leben das nackte Grauen.
Als Anker der Anteilnahme dient Yasmine (Karina Testa), die im dritten Monat schwangere Komplizin, deren Bruder bei dem Überfall tödlich verletzt wurde. Ihr Überleben bleibt absehbar. Aber zu welchem Preis? Der urbanen Hölle entkommen, geraten die Flüchtigen an kannibalistische Nazis im verwilderten Grenzgebiet. Deren grotesk-trashige Erscheinung ist „Hitman“-Regisseur Xavier Gens wohl bewusst, was ihn jedoch nicht von einer bierernsten Inszenierung abhält. An diesem Gegensatz scheitert der Film nicht. Im Gegenteil. Hat man sich erst einmal auf die bizarre Ausgangssituation eingelassen, funktioniert das Szenario prächtig. Auch, weil der Filmemacher nicht mit politischen Seitenhieben geizt.
Das pseudocoole Machogehabe und die von HipHop hofierten Gangsterallüren bringen der Bande keine Sympathien ein. Das ändert sich, zumindest teilweise, mit der zunehmenden Radikalität ihrer Peiniger. Aus den harten Kerlen wird Schlachtgut. Mitleid ist vorprogrammiert. Abgeschossene Finger, ein Bad in Schweinescheiße oder die makabre Eindampfung zur menschlichen Brühwurst sind da lediglich die Spitze des braunen Eisbergs. Der Clan der faschistischen Metzger – unter anderem Samuel Le Bihan („Pakt der Wölfe“) als Kraftpaket Goetz – wird vom Genickschusspistole und Naziuniform auftragenden Oberhaupt – Jean-Pierre Jorris („Tanguy“) mit einer brillanten Darbietung – zusammengehalten. Dabei mischt sich auch mal deutscher Befehlston unter die französische Originalsprache.
Der visuell gelungene Gewalt-Porno weist die „Saws“ und „Hostels“ in ihrer sich überbietenden Zersetzung menschlicher Körper in ihre Schranken. Dass „Frontier(s)“ dabei kaum mehr ist als ein Abklatsch des legendären „Texas Chainsaw Massacre“, zusätzlich versehen mit Anleihen bei „The Descent“ und Rob Zombies radikaler Wiederbelebung des Terror-Genres, bleibt verzeihlich. Überhaupt ist der krasse Leidensweg der Figuren wenig originell, im Gegenzug aber angenehm enthemmt und erstaunlich stark gespielt. Insbesondere gilt dies für Karina Testa, die, bevor sie im blutgetränkten Finale den Gegenschlag probt, zum Wohle der „Herrenrasse“ in die Familie eingegliedert wird. Ein überraschend mitreißender Beitrag zur Splatter-Welle.
Wertung: (6,5 / 10)