„Well done, my brave knight. Now… off with your head!“ – Der grüne Ritter
Es wäre ein leichtes gewesen, die Geschichte von Sir Gawain als Heldenepos im Blockbuster-Stil zu erzählen. Doch Regisseur, Autor und Cutter David Lowery hatte anderes im Sinn. Der US-Filmemacher, der so unterschiedliche Werke wie „Elliot, der Drache“ (2016) und „A Ghost Story“ (2017) schuf, legt seine Variation der Artus-Nebensage „Sir Gawain & the Green Knight“ als Arthouse-Bilderrausch zwischen Coming-of-Age und Selbstfindung an. Das Heldengedicht aus dem 14. Jahrhundert dient dabei als Motivquell, wird in Ausgestaltung und Weiterentwicklung aber zunehmend frei behandelt.
Im Zentrum steht jener Gawain, vielschichtig gespielt von Dev Patel („Slumdog Millionär“), hier kein edler Ritter der Tafelrunde von König Artus (Sean Harris, „Macbeth“), sondern ein unsteter Jüngling, der seine Zeit bevorzugt mit der Prostituierten Essel (Alicia Vikander, „Ex Machina“) verbringt. Seine Mutter, die Magierin Morgan Le Fay (Sarita Choudhury, „Ein Hologramm für den König“), obendrein Artus‘ Halbschwester, legt ihm eine Prüfung auf, die seine Ehre belegen soll: Am Weihnachtsabend, Gawain darf erstmals neben dem König und dessen Gemahlin Guinevere (Kate Dickie, „Die Säulen der Erde“) Platz nehmen, erscheint ein grüner Ritter (Ralph Ineson, „Game of Thrones“), halb Mensch, halb Baum, und provoziert die Festgemeinschaft mit einer Herausforderung.
Einer der Anwesenden möge einen Schlag gegen ihn ausführen, den er, sofern er überlebt, genau ein Jahr später in gleicher Manier erwidert. Als Gawain Mut beweist und den Fremden enthauptet, scheint die Sache klar. Doch der schnappt sich lachend seinen Kopf und reitet davon. Im nächsten Winter kommt für den Königsneffen die Zeit, dem Schwur folgend zur Kapelle des grünen Ritters zu reisen und den Widerschlag zu empfangen. Der Weg ins Ungewisse scheint dabei relevanter als das Ziel, konfrontiert Lowery seinen Anti-Helden doch in episodische Begegnungen mit Wegelagerern (u. a. Barry Keoghan, „Dunkirk“), der geköpften Winifred (Erin Kellyman, „Solo: A Star Wars Story“) und einem ihn begleitenden (CGI-)Fuchs.
Dem Gedicht entspringt dabei einzig die Rast bei einem gastfreundlichen Lord (Joel Edgerton, „Black Mass“) und dessen Gawains Tugendhaftigkeit herausfordernden Frau (wiederum Vikander). Dabei deutet bereits die lose Kapitelstruktur an, dass erzählerisches Tempo bei „The Green Knight“ keine Bedeutung zukommt. Die mythische Moralgeschichte, die u. a. „Excalibur“ (1981), „Der Herr der Ringe“ (dessen Schöpfer J.R.R. Tolkien griff Aspekte des zugrundeliegenden Gedichts für seinen Fantasy-Klassiker auf) und „Willow“ (1988) zitiert, stellt die Visualität über die Narration. Die symbolträchtigen Bilder, die mannigfaltigen Interpretationsspielraum offenbaren, entfalten ihre Faszination durch eine dreckverkrustete Optik, die das Mittelalter durchweg erlebbar gestaltet.
Die ausgeklügelte Farbdramaturgie, das atmosphärische Nadelstiche setzende Sounddesign und Sets, die bisweilen an Bühnenkulissen im Theater erinnern, tragen ebenfalls zur Faszination des Stoffes bei. Lowerys poetisches Essay über Ehre und Männlichkeit, das über weite Strecken wirkt wie ein Traum, gibt sich märchenhaft, mysteriös und morbide. Bei aller inszenatorischen Ausnahmeklasse eröffnen sich allerdings kaum Zugänge, so dass der Film sein Publikum zwangsläufig im Stich lässt. Das kann zweifelsfrei als intellektuelle Herausforderung verstanden werden, aber ebenso gut als konzeptionelles Versäumnis.
Wertung: (6,5 / 10)