The Departed – Unter Feinden (USA/HK 2006)

departedscorseseIst es wichtig, ob das Original eines Films besser ist als sein Remake? Eine simple Frage, die, sobald sie auf gefestigtes Wissen um den Kern der Sache trifft, zum Exkurs über existenzielle Berechtigung eines Werkes führen kann. „The Departed“ ist die Amerikanisierung des chinesischen Krimi-Dramas „Infernal Affairs“. Der Regisseur ist Martin Scorsese. Eigenen Bekundungen zufolge hat er das asiatische Vorbild nie gesehen. Für den Kinofreund ist das schade, für den mit einer Neuinterpretation betrauten Filmemacher dankbar. „Departed“ ist nicht „Infernal Affairs“. Die Diskussion um den Stellenwert dieser oder jener Schöpfung erübrigt sich.

Auf der einen Seite steht der Polizeiapparat, auf der anderen das Verbrechersyndikat. Im Kampf um die Oberhand unterwandert eine Partei die nächste. Ein Cop undercover bei der Mafia, ein Mafioso undercover bei den Cops. Ein Szenario, so konstruiert, das es wie gemacht scheint für die große Leinwand. Pures Kintopp der Emotionen, vereint unter der geballten Kompetenz großer Namen: Da ist Scorsese, der seit Jahrzehnten beständig gute bis großartige Filme dreht. Oft und gern, wie auch hier, mit Kameramann Michael Ballhaus und Komponist Howard Shore. Daneben eine Darstellerriege, die bis in die Nebenrollen – Martin Sheen („Wall Street“) und Alec Baldwin („Glengarry Glen Ross“) – drei Generationen großer Schauspielkunst umfasst.

Der Film spielt in Boston. Gangsterboss Costello (Jack Nicholson zwischen „Batman“ und „About Schmidt“) ist die Nummer eins. Ihn will die Polizei zu Fall bringen. Dazu wird Billy Costigan (Leonardo DiCaprio, „Gangs of New York“) in die Organisation eingeschleust. Dass es einen Spitzel gibt, weiß Costello von Colin Sullivan (Matt Damon, „Syriana“). Er ist Cop im Dienste der Mafia. Nur die Identität des Maulwurfs kennt er nicht. Bald wird klar, dass es auch auf Seiten des Staatsschutzes eine undichte Stelle gibt. Fortan versuchen beide die Tarnung des anderen auffliegen zu lassen, um die eigene Haut zu retten.

Mit ruhiger Hand erzählt Martin Scorsese einen tragischen Thriller. Das Costigan und Sullivan an ihrem Doppelleben zerbrechen ist greifbar. Nur das wie nicht. Dahingehend serviert der Regisseur schnörkel- wie emotionslos geschilderte Abgründe. Natürlich hat das Mängel. Die Frau zwischen den Maulwürfen (Vera Farmiga, „Running Scared“), ausgerechnet Psychologin, bleibt ohne jeden Belang für die Zuspitzung des Plots. Die Tiefe der Figuren – gelagert in Erektionsproblem und Medikamentsucht – wirkt dabei künstlich. Die Geschichte hätte dieser Abschweifung um mehr Weiblichkeit Willen nicht bedurft.

An seine Grenzen stößt das Werk in der schauspielerischen Limitiertheit. Das betrifft insbesondere Matt Damon und Mark Wahlberg („Boogie Nights“), der als ewig fluchender Bulle einer Parodie des cholerischen Joe Pesci in „GoodFellas“ gleichkommt. Trotz kleinerer Abstriche hat „The Departed“ alles, was großes Hollywoodkino braucht. Eine konstante Atmosphäre, eine namhafte Besetzung und eine Regie, die das Wesen der Handlung in die Breite, nicht aber in die Länge dehnt. Scorsese gelingt so ein packendes Drama mit emotionaler Wucht – und obendrein sein bester Film seit „Casino“.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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