Nach Städten benannte Filmwerke sind meist entweder eine Liebeserklärung an die jeweilige Metropole oder aber Aufhänger großer Gefühle in Zeiten von Krieg und Umbruch. Mikael Håfströms „Shanghai“ ist – in zarter Anlehnung an „Casablanca“ – ein Vertreter der zweiten Kategorie. Das von Hossein Amini („Drive“) verfasste Drehbuch taucht ein ins ausgehende Jahr 1941 und zeigt die in vier Sektoren unterteilte chinesische Industriestadt als Tummelplatz politischer Ränkespiele. Glücksritter versuchen die turbulenten Zeiten für ihren Vorteil zu nutzen. Aber die Lage spitzt sich zu und eine Offensive der japanischen Besatzer scheint nur eine Frage der Zeit.
In diesem Hexenkessel soll der als Journalist getarnte US-Agent Paul Soames (John Cusack, „Grace is Gone“) den Mord an seinem Freund und Geheimdienstkollegen Conner (Jeffrey Dean Morgan, „Watchmen“) aufklären. Der war mit der Observation des Triaden-Führers Anthony Lan-Ting (Chow Yun-Fat, „Tiger and Dragon“) betraut, konzentrierte sich aber zunehmend auf Tanaka (Ken Watanabe, „Inception“), den Chef des japanischen Sicherheitsapparates. Bei seinen Ermittlungen benutzt Paul die deutsche Ingenieurs-Gattin Leni Müller (Franka Potente, „Elementarteilchen“), um an Informationen über Waffenlieferungen der Nazis an die japanische Marine zu gelangen.
Als er Anthony vor einem Attentat bewahrt, gewinnt Paul das Vertrauen des Gangsters. Sein vorrangiges Interesse gilt aber dessen Gattin Anne (Gong Li, „2046“), die von Tanaka verdächtigt wird, den Widerstand gegen die Besatzer zu unterstützen. Bald stößt Paul auf Hinweise, die japanische Flotte könnte sich für einen Großangriff wappnen und den Kriegseintritt der Amerikaner erzwingen. Zur Schlüsselfigur wird Sumiko (Rinko Kikuchi, „Eine Karte der Klänge von Tokio“), Tanakas auch mit Conner liierte Konkubine. Nur wollen Pauls Vorgesetzte von den Verschwörungstheorien nichts wissen. Auf sich allein gestellt geht er der Wahrheit nach und versucht obendrein Annas Herz zu erobern.
Der historische Rahmen – inklusive des bevorstehenden Angriffs auf Pearl Harbor – bildet den Aufhänger einer klassischen Mischung aus Geheimdienst-Thriller, Kriegs-Drama und Romanze. Angereichert mit blutigen Schießereien und Anleihen beim Film Noir serviert Håfström, der mit Cusack auch „Zimmer 1408“ drehte, ein retrospektives Kinoerlebnis mit erlesener Besetzung, opulenter Ausstattung und vorhersehbarer Geschichte. In rund 100 gerafften Minuten bietet „Shanghai“ damit zwar nicht die ganz großen Gefühle und ist letztlich auch nicht das epochale Werk, das die Macher wohl im Sinn hatten. Aber ungeachtet seiner Makel ist der dramaturgisch überfrachtete Film sehenswert gestaltet und zudem durchaus packend erzählt.
Wertung: (6 / 10)