Heikle Themen sind Hollywoods prüder Saubermannpolitik seit jeher ein Dorn im profitorientierten Äuglein. Allerdings keimen die strengen Moralvorstellungen amerikanischer Zensur- wie Einstufungsbehörden lediglich bei überschwänglicher Freizügigkeit oder sexueller Nonkonformität auf, nicht jedoch bei der im Überfluss aufgezeigten, oftmals gar ausufernden Kinogewalt der letzten Jahre. Eines der jüngsten Beispiele dieser Art bildet Steven Shainbergs skurrile Außenseiterromanze „Secretary“, die durch eine maßlos überbewertete amerikanische Altersfreigabe einzig Zuschauern über 17 Jahren zugänglich gemacht wurde – und nicht zuletzt aufgrund der doch sehr eigentümlichen Aufarbeitung des S/M-Fetischs gnadenlos floppte.
Am Tage der Hochzeit ihrer Schwester (Amy Locane, „Airheads“) wird die psychisch labile Lee Holloway (Maggie Gyllenhaal, „Adaptation“), eingewiesen wegen eines angeblichen Selbstmordversuches, aus ärztlicher Obhut in den Schoß der Familie entlassen. Die emotionale Aufarbeitung alltäglicher Probleme äußert sich bei der jungen Frau durch Selbstgeißelung, die selbsttätige Zufügung physischer Schmerzen. Ihre neu erlernte Fähigkeit des geschwinden Tippens an der Schreibmaschine soll sich bei der „gesellschaftlichen Eingliederung“ als hilfreich erweisen, so dass Lee beschließt, sich um einen Job als Sekretärin im Büro des Rechtsanwaltes E. Edward Grey (James Spader , „Crash“) zu bewerben.
Nach der Zusage des verschlossenen Arbeitgebers wirft sich Lee mit sichtlicher Inbrunst in den neuen Tätigkeitsbereich, kann von ihrer Art der Problembewältigung jedoch nicht lassen. Als der schüchterne Anwalt hinter die Fassade seiner introvertierten Angestellten blickt und Lee gar dazu ermuntert, ihr Marterbesteck in den Müll zu werfen, nimmt er die Züchtigung seiner Angestellten in die eigenen Hände. Auf dieser Basis schafft Regisseur, Produzent und Co-Autor Steven Shainberg („Hit Me“) eine der schrulligsten und liebenswertesten Romanzen der vergangenen Jahre, einen Film voller subtilem Witz und hinreißenden Darstellern. Jenseits jedweder moralischer Bewertungen zeichnet der Filmemacher ein hintergründiges, tragikomisches und obendrein anspruchsvolles Bildnis gesellschaftlich abseitiger Obsessionen und verzichtet dabei vollends auf alberne Plattheiten oder plumpe Klischees.
Stattdessen lässt Shainberg den Betrachter am Treiben seiner sympathischen Protagonisten teilhaben, wenn die provozierende Lee durch das Einbringen absichtlicher Tippfehler die Hoffnung auf Bestrafung durch den Vorgesetzen schürt oder bei der Entjungferung durch ihren drögen Freund Peter (Jeremy Davies, „Dogville“) entnervt feststellen muss, dass der sexuelle Akt keinerlei Schmerzen verursacht hat. Das verblüffende Finale überrascht, wie der gesamte Film, durch die leichtfüßige Inszenierung, die mit herzlicher Distanz die Gefühlswelt der Figuren bei konsequentem Verzicht auf plakative Anprangerungen aufdeckt. Getragen von den überragenden Hauptakteuren begeistert dieses zu Unrecht kaum beachtete Independent-Juwel durchweg und wird, so bleibt zu hoffen, zumindest auf dem Sektor des Filmverleihs seine verdiente Zuschauerschaft und Anerkennung finden.
Wertung: (8 / 10)