„Big things have small beginnings.“ – David
Vor 33 Jahren setzte Ridley Scott mit dem Sci-Fi-Schocker „Alien“ Maßstäbe. Die namenlose Kreatur, ein nachtschwarzer Alptraum mit lang gewölbtem Schädel, spitzem Schwanz und ausfahrbarem Zweitmaul, geschaffen vom Schweizer Künstler H.R. Giger, wurde zum Klassiker. Drei Fortsetzungen, inszeniert von den eigenwilligen Filmemachern James Cameron, David Fincher und Jean-Pierre Jeunet, sowie zwei Spin-Off-Überschneidungen mit dem „Predator“-Franchise folgten. Sie sponnen die Mythologie des „unheimlichen Wesens aus einer fremden Welt“ weiter, ohne je dessen Ursprung zu ergründen. Das besorgt Scott nun selbst – allerdings nur mit dezenter Andeutung des stilprägenden Monsters.
Das schließt auch dessen grotesk brutalen, den missbrauchten Wirtskörper zerstörenden Geburtsprozess über „Facehugger“ und „Chestburster“ ein. Blut, Schleim und todbringendes außerirdisches Getier bietet „Prometheus“ trotzdem. Und einen unterschwelligen, betont bedeutungsschwangeren philosophischen Diskurs über die Entstehung des Menschen. So beginnt der Film, der Antworten aber weitgehend schuldig bleibt, denn auch mit einer prometheischen Tat, bei der der göttliche Funke in grauer Vorzeit von einer hochentwickelten extraterrestrischen Kultur, „Konstrukteure“ genannt, auf die Erde gebracht wird und den Grundstein für die Entwicklung intelligenten Lebens legt.
Im Jahr 2089 will das Archäologen-Paar Elizabeth Shaw (Noomi Rapace, bekannt aus der „Millennium“-Trilogie) und Charlie Holloway (Logan Marshall-Green, „Devil“) der Schöpfung auf den Grund gehen. Aus Höhlenmalereien leiten sie den Weg zum fernen Mond LV-223 ab, auf dem sie sich Hinweise auf den Ursprung der Menschheit erhoffen. Mit finanzieller Förderung durch den Weyland-Konzern startet die existenzialistische Weltraum-Expedition, bei der der hochintelligente Android David (Michael Fassbender, „X-Men: Erste Entscheidung“) maßgebliche Hilfe leistet. Nach ihrer Ankunft werden sie in einem verzweigten Tunnelsystem unter der Oberfläche des unwirtlichen Planeten fündig. Aber es ist nicht Gott und erst recht nicht das Paradies.
Im Vorlauf der Geschichte, u.a. geschrieben vom auch produzierenden „Lost“-Co-Schöpfer Damon Lindelof, lehnt sich Scott stark an „Alien“ an. Der Auftakt ist gemächlich, zeichnet Hintergründe nach und schlägt Brücken zum wegweisenden Original. Design und Ausstattung sind eindrucksvoll, so dass der Zuschauer glaubhaft in die Vorzeit der ursprünglichen Saga geführt wird. Woran es abseits der visuellen Erhabenheit allerdings hapert, sind die Figuren. Während die Hauptprotagonisten, zu deren erweitertem Kreis die kühle Konzern-Repräsentantin Meredith Vickers (Charlize Theron, „Monster“) sowie Raumschiffkapitän Janek (Idris Elba, „The Wire“) zählen, noch durch die Strahlkraft der Darsteller punkten, bleibt der übrige Cast nur Kanonenfutter der zunehmenden Bedrohung.
Schlussendlich ist „Prometheus“ dann doch „nur“ ein bildgewaltiges, bemüht eigenständiges Prequel, das sich auf der Zielgeraden endgültig der Erwartung des Publikums unterwirft. Scotts inkohärenter Erzählfluss driftet in einen genretypischen, gar auf die Zukunft der gesamten Menschheit ausgeweiteten Überlebenskampf, der seinen unappetitlichen Höhepunkt in einer Abtreibung findet, bei der die im „Alien“-Kosmos obligatorische Heroine, hier Noomi Rapace, ihre Leidensfähigkeit unter Beweis stellt. Neben ihr besticht vor allem Fassbender, der die Ambivalenz des hörigen Kunstmenschen famos in starre Mimik übersetzt. So ist das Ergebnis gemessen an der Wartezeit zwar ernüchternd, insbesondere die Bilder sind aber faszinierend und bedrohlich genug, um die Vorgeschichte eines unverwüstlichen Klassikers sehenswert zu gestalten. Dessen Qualität und vor allem Wirkung bleiben aber unerreicht.
Wertung: (6,5 / 10)