Pieces of April – Ein Tag mit April Burns (USA 2003)

pieces-of-aprilFamilienfest und andere Schwierigkeiten…

Die Einsicht, dass der Schoß der eigenen Anverwandtschaft nicht unmittelbar einen Hort der trauten Eintracht repräsentieren muss, dürfte ein nicht unerheblicher Part der Erdbevölkerung bereits als individuelle Erfahrungsmomente abgespeichert haben. Ironischerweise sublimieren sich unterschwellige Konfliktherde stets bis zur nächsten Zusammenkunft in besinnlicher Runde und entladen sich nur allzu gern im feiertäglichen Kreis der Lieben. Dass es sich in der Theorie allerdings auch gegensätzlich verhalten kann, illustriert „About a Boy“-Drehbuchautor Peter Hedges in seinem von bissiger Ironie gesäumten Regiedebüt „Pieces of April – Ein Tag mit April Burns“.

Denn die titelspendende April (Katie Holmes, „Tötet Mrs. Tingle“), das schwarze Schaf der erhabenen Burns’schen Sippschaft, möchte mit der Einladung der Familie zum traditionellen Thanksgiving-Mahl ein Zeichen der Versöhnung setzen. Ein ernstes Problem bildet allerdings der Umstand, dass sich Aprils Kochkünste auf sehr eingeschränktem Grund bewegen. Nur wiederwillig und voll düsterer Vorahnungen besteigen Mutter Joy (Patricia Clarkson, „Dogville“), Vater Jim (Oliver Platt, „Lake Placid“), der besserwisserische Bruder Timmy (John Gallagher Jr., „The Flamingo Rising“) und die auf Perfektion geeichte Schwester Beth (Alison Pill, „Dear Wendy“) nebst dementer Großmutter Dottie (Alice Drummond, „In & Out“) das familiäre Gefährt und wagen den Schritt aus der behüteten Vorortschaft in den Schlund der New Yorker Lower East Side.

Während die kränkliche Joy den festlichen Trip in mitleidiger Agonie badend bereits im Vorfeld zum Desaster deklariert, versagt unterdessen Aprils Backofen die erforderlichen Dienste. So muss die flippige Gastgeberin samt Truthahn bei der bizarren Anwohnerschaft vorstellig werden und die notgedrungene Nutzung fremder Küchenutensilien erbitten. Ein Unterfangen, dass dank ihres exzentrischen Nachbarn Wayne (Sean Hayes, „Ein Kater macht Theater“) zur schieren Tortur gerät. Einzig Aprils sorgender Freund und Liebhaber Bobby (Derek Luke, „Antwone Fisher“) erkennt den Ernst der Lage und bemüht sich um tatkräftige Unterstützung.

Auf dem Fundament ausgeprägter Charaktere entwickelt sich „Pieces of April“ zur tragikomischen Familienposse. Gespickt mit zahlreichen Absurditäten und satirischen Seitenhieben neigt Regisseur und Autor Peter Hedges die Personalisierung seiner verschrobenen Figuren phasenweise in Schraffierungen der Übertreibung. Dass die Geschichte trotz allem nur selten in den Grenzbereich der Unglaubwürdigkeit hineinragt, liegt in erster Linie an den überzeugenden Darstellern. Allen voran die glänzend aufspielende Patricia Clarkson liefert als gebeutelte Familienpatronin zwischen ignoranter Selbstgerechtigkeit und emotionaler Fragilität eine wahrhaft exzellente Darbietung ab und überflügelt ihr Kollegium ausdrucksstarker Akteure in beinahe jeglichen Belangen. Das Einfangen der grobkörnigen Bilder durch digitale Kameratechnik verleiht „Pieces of April“ im Zusammenspiel mit kantigen Schnittmontagen auf subtiler Ebene einen semidokumentarischen Anstrich und untermauert Hedges Bestrebungen eines realitätsnahen Umfeldes.

Die Identifikation des Betrachters mit den Protagonisten präsentiert sich durch die übersteigerten Facetten der Familie Burns als vornehmlich restriktiv und distanziert, der Grad der Wiedererkennung dankbarerweise eher sporadisch. Auf diese Weise gewährleistet der Film die angestrebte Realitätsnähe ohne selbige überzustrapazieren und kreiert überdies einen willkommenen Freiraum für groteske Episoden und Einschübe. Dass die finale Reunion der zerfahrenen Familie in ihrem nahezu versöhnlichen Ausklang den vorwiegenden Teil dramatischer Aspekte kaschiert, mindert den Unterhaltungswert von Peter Hedges neurotischer Independent-Tragikomödie keineswegs. Vielmehr tritt „Pieces of April“ den unumstößlichen Beweis an, dass eine überzeugende Geschichte millionenschwere Budgets noch immer um Längen zu überragen vermag.

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

scroll to top