„The universe has a favor to ask.“ – Ghat
Es gibt sie noch, die Filme, die Rätsel aufgeben. Warum nur sollte jemand ein solches Werk produzieren? Und wer ist eigentlich die Zielgruppe? „Swiss Army Man“ (2016) ist ein Beispiel für derlei kreative Eigenheit. Ein anderes ist „Glorious“. Was Regisseurin Rebekah McKendry („All the Creatures Were Stirring“) mit ihrem lustvoll gegen jede Konvention konzipierten Fantasy-Kammerspiel auftischt, entzieht sich sämtlichen Schubladen. Es ist, als würde der junge David Lynch auf einer Theaterbühne mit H. P. Lovecraft bewusstseinserweiternde Substanzen einwerfen und über die Rettung des Universums sinnieren.
Das Problem einer solchen Prämisse ist die Vermarktung. Menschen brauchen Orientierungshilfen. Im vorliegenden Falle schließt sie die Genrezuordnung „Horror“ mit ein. Wer das wörtlich nimmt und daran mehr noch entsprechende Erwartungen knüpft, wird zwangsläufig enttäuscht zurückbleiben. Denn „Glorious“ ist vor allem eins: geschwätzig. Noch nicht in der bedächtig ausgebreiteten Herleitung, wohl aber im Hauptteil, der als Kammer eine versiffte Rastplatztoilette im Nirgendwo der USA vereinnahmt. Genau dorthin verschlägt es Wes (Ryan Kwanten, „Red Hill“), der allein mit dem Auto unterwegs ist; den Wagen vollgestopft mit Erinnerungsstücken an seine gescheiterte Beziehung zu Brenda (Sylvia Grace Crim, „The Hunt“).
Um Schmerz und Leere zu betäuben, lässt er sich volllaufen. Am nächsten Morgen erwacht er ohne Hose, dafür mit erhöhtem Kotzreiz. Doch der Gang zur Toilette erweist sich als Auftakt eines ausgemachten Alptraums. Als eine Stimme – im Original die von Oscar-Preisträger J.K. Simmons („Whiplash“) – aus der benachbarten, durch ein Glory Hole verbundenen Klokabine ertönt, ahnt Wes zunächst nichts Böses. Doch Gathanothoa (in der Lovecraft’schen Mythologie ein Spross Cthulhus) ist ein Überwesen mit klarem Plan. Nur braucht es für dessen Umsetzung die Unterstützung des festgesetzten Wes. Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden, um der originellen Wundertüte ihr Überraschungspotenzial zu belassen.
Der hauptsächliche Teil der Erzählung, bei der lediglich der Grund für Wes‘ Beziehungsscheitern vorhersehbar erscheint, besteht aus skurrilen Zwiegesprächen zwischen Mensch und Titan. Physische Präsenz offenbart in dieser Konstellation einzig der chargierende Kwanten, der neben Horror-Ikone Barbara Crampton („Re-Animator“) auch produzierte. Seine übermütige Performance, gepaart mit Simmons zwingender Stimme, genügen verblüffenderweise als Handlungsträger. Dabei hält McKendry, deren Gatte David Ian am Skript mitschrieb, das Tempo ungeachtet der vermeintlich starren Ausgangssituation über weite Strecken hoch und sichert den Unterhaltungswert auch durch den sehenswerten Kameraeinsatz.
Dass es im Klohaus zwischenzeitlich Blut regnet, täuscht nicht darüber hinweg, dass es für die Genre-fixierte Klientel wenig zu holen gibt. „Glorious“ zerrt nicht an den Nerven und verstört auch nicht. Vielmehr wird mit überschaubaren Mitteln, die zwangsläufig auf die Güte der Computertricks abfärben, die Eigenwilligkeit des Independent-Kinos gefeiert. Als mitunter radikaler Gegenentwurf zum Hollywood-Einerlei rechtfertigen Werke wie dieses ihre Existenz. Dass sich daran munter die Geister scheiden, darf als Teil des Gesamtkonzepts interpretiert werden.
Wertung: (6,5 / 10)