Nocta (D 2019)

„Es ist ja nur eine Geburtstagsfeier. Was soll da schon großartig schief gehen?“ – Ernst

Filmschund mit Herzblut. Und Kunstblut. Hektoliterweise Kunstblut. Dafür steht die Marke P.S.Y.C.H.O. Productions seit nunmehr zwanzig Jahren. Für Otto-Normal-Seher bedeuten die Werke von Master W. und Crippler Criss einen tiefschürfenden Kulturschock. Denn in den Kurz- und Langfilmen des Duos aus dem Bergischen Land ist alles erlaubt. Hauptsache es geht absurd und eklig zu. Ein spezielles Humorverständnis muss dabei ebenso vorausgesetzt werden wie ein Faible für handwerklich reduzierte Streifen mit kräftigem Aderlass. Dann jedoch sind die abseitigen Unterhaltungsschöpfungen der ambitionierten Fleißarbeiter echte Perlen.

Das schließt auch „Nocta“ ein, den dritten abendfüllenden DIY-Spielfilm von P.S.Y.C.H.O. Productions. Im Gegensatz zu den Vorläufern, namentlich „Das Geheimnis der Zauberpilze“ (2009) und „Der König der Kannibalen“ (2016), beschränkt sich das federführende Duo (Crippler Criss und Master W. teilen sich die Credits für Regie, Kamera, Schnitt und Produktion) diesmal auf schlanke 90 Minuten gewaltreichen Eskapismus. Weniger unsinniges Geschwätz bedeutet das mitnichten. Trotzdem wirkt der wüste Motiv-Mix, bei dem „Braindead“ (1992) und „From Dusk Till Dawn“ (1999) als namhafte Speerspitze genannt werden dürfen, sympathisch knackig.  

Schauspielerisch überlassen die Hobby-Filmer diesmal anderen das Feld: Underground-Gallionsfigur Jim Aal („Zombiercalypse“) etwa. Oder Sebastian Zeglarski, selbst Regisseur („What’s Wrong With You“) und auch diesmal für die sehenswerten Heimwerker-Effekte verantwortlich. Primär zu nennen ist aber Resa Elstner, der in der Titelrolle wahrlich einiges abverlangt wird. Bevor sie auf den Plan tritt, muss jedoch erst der Plot auf Kurs gebracht werden. Das geht so: Der christlich bis zum Schirm der Schiebermütze indoktrinierte Pfarrersohn Ernst Lichtenbusch (Aal) steht kurz vor seinem 40. Geburtstag. Da ihm rauschende Partys bislang verwehrt blieben, schaffen Till (Zeglarski) und seine Freunde Abhilfe.

„Zombies? Im ernst?“ – Shabbi

Teil der Gästeschar ist, neben dem philosophisch bewanderten, muslimischen „Afro-Germanen“ Shabbi (stiehlt beinahe jede Szene: P.S.Y.C.H.O.-Productions-Regularie Raping Ras), auch besagte Nocta. Die weckt in Jungfrau Ernst gleich den Wunsch der überfälligen Defloration – und zudem die Sehnsucht, die frisch erwachte (höchst einseitige) Liebe per schräger Gesangseinlage in die Welt (besser: ein noch weißes Kellergeschoss) zu tragen. Aals musikalische Wandelbarkeit lässt das zu erwartende Blutbad endgültig herbeisehnen. Doch keine Sorge, die Herrschaft des Splatters lässt zwischen Karaoke-Einlagen und Ernsts tumben Nazi-Vettern lediglich das erste Drittel auf sich warten.

Dessen Herbeiführung bedarf allerdings einer grundlegenden Erläuterung: Nocta ist eine Vampirin, die ihren Blutdurst – und die schlimmen Menstruationskrämpfe – mit Joint und Alkoholverzicht im Zaum hält. Als ihr jedoch Feuerwasser ins Getränk gemischt wird, um die romantische Näherung an Mauerblümchen Ernst zu erleichtern, nimmt die Katastrophe ihren Lauf. Erst kotzt die Blutsaugerin mehr Lebenssaft als Udo Kier in Warhols „Dracula“ (1974), dann fällt sie unerbittlich über die feiernde Meute her. Dass die Opfer nach den rabiaten Übergriffen als Zombies wiederauferstehen, gestaltet den Überlebenskampf für Ernst & Co. nicht eben geschmeidiger.

Eins ist sicher: „Nocta“ ist schäbiger Amateur-Trash, bei dem Kot und Körpersäfte (auf Ekel pocht nicht allen das finale Schleck-Fest) in rauen Mengen das Interieur besudeln (besondere Erwähnung verdient die absurde „Predator“-Hommage). Der Furz- und Kackwitze sind es beinahe zu viele, doch der auch fürs Skript verantwortliche Master W., der als Partygast zudem am darstellerischen Rand Präsenz zeigt, zieht das Tempo mit Partner Crippler Criss an den richtigen Stellen gehörig an. Das Ensemble agiert lustvoll unprofessionell und trägt, anders als bei vielen vergleichbaren Produktionen, maßgeblich zum hohen Unterhaltungswert des Streifens bei. Das Salz in der Blutsuppe bleiben trotzdem die Effekte, bei denen Körper und Dummys so einfallsreich wie technisch beachtlich zerschunden werden. So bürgt die Marke P.S.Y.C.H.O. Productions auch diesmal für liebenswert abseitigen Filmgenuss der entgrenzten Sorte. Was soll da schon großartig schief gehen?

Wertung: 6.5 out of 10 stars (6,5 / 10)

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