Nior – Misfit (2020, DIY)

Wenn eine Band ihren Sound als „Nu Metalcore“ bezeichnet, dann sind Missverständnisse praktisch ausgeschlossen. Eine gewisse grundlegende Skepsis ist dennoch angebracht. Metal-Hardcore? Na klar, immer wieder totgesagt und trotzdem noch zu Bestleistungen fähig. Aber Nu Metal? Jener kurzzeitig erfolgsverwöhnte Crossover-Sound für Teenager und solche, die es bleiben wollen? Besser nicht. Fassen wir also zusammen: NIOR servieren auf ihrem zweiten Album „Misfit“ eine Mischung aus HATEBREED und LIMP BIZKIT. Zumindest im klischeeverwöhnten Sinne schnöder Mutmaßung.

Die Realität ist natürlich weniger plakativ. Daher heißt das Gebot: Scheuklappen aus und rein ins Geschehen. Dass der Blick über den Tellerrand durchaus erhellend ausfallen kann, belegt der Vierer vom Niederrhein durch ein überraschend funktionales und in Sachen Rhythmus angenehm wandlungsfähiges Nebeneinander der prägnanten Wesensarten beider oben genannten Spielarten. Konkret bedeutet das die Auflockerung des Metal-Hardcores mit seinen Double-Bass-Attacken, unerbittlichen Shouts und destruktiven Breakdowns durch satte Grooves, Klar- und Sprechgesangspassagen sowie Sound-Spielereien samt Synthie-Wabern.

Um die Abwechslung zu mehren, konnten mit dem auch produzierenden David Beule (ehemals VITJA), Sven Int-Veen (LIOTTA SEOUL) und Kadeem France (LOATHE) Gaststimmen mit spürbar unterschiedlicher Gewichtung gewonnen werden. Auch sie tragen zum Gelingen der betont unbekümmerten Platte bei. Dass auf „Misfit“ jedoch längst nicht alle Teile reibungsfrei zueinanderfinden, bleibt in Summe verzeihlich. Denn NIOR mixen einen Stilcocktail, der die potentiell peinlichen Fallstricke der bearbeiteten Genres ausreichend weit umschifft – und u. a. mit „Paranoia“, dem alternativ rockenden „Run With Me“ oder „Doomsayer“ schmissige Hits bietet. Ein durchaus mutiges, in Summe aber gelungenes Experiment.  

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

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