In Sachen Underground-Knüppelbeschallung verfügt Brasilien, RATOS DE PORAO hin oder her, noch immer über Exotenstatus. Die Vierer-Split „Play Fast Ride Easy“, als limitiertes rotes Tape über Seven Oaks Records aufgelegt, sorgt vor diesem Hintergrund für willkommene Einblicke in die abseitige Musikkultur des Landes am Zuckerhut.
Mit N.W.77, HCG, D.F.C. und LIFE IN GRAVE sind Bands vertreten, deren Existenz den meisten Befürwortenden deftiger Schrabbelklänge bislang verborgen geblieben sein dürften. Mit je drei Tracks – zeitlich zwischen 17 Sekunden und knapp drei Minuten verortet – bleibt der Eindruck jedoch umfassend genug, um diesen Mini-Exkurs keinesfalls missen zu wollen.
Der Auftakt der A-Seite gehört N.W.77 (NUCLEAR WEAPON 77), die mit „Worldwide Death“ (von ihrem 2015er Album „Nuclear Awake“) gleich einen soundtechnisch herrlich reduzierten Hardcore-Thrash-Böller zünden. Plärriger Gesang, Metal-Gitarrensolo und Gangshouts machen die Nummer zum stattlichen Hit. „Dis is Fear“ und „Deadly Death“, beide der 2018er EP „Peste Nuclear“ entnommen, festigen den positiven Eindruck. Beide Tracks präsentieren sich eine Spur metalliger, bewahren jedoch die sympathisch ungestüme Note. Ein Einstand nach Maß!
HCG veranschlagen für ihr Song-Trio in Summe weniger Zeit, als N.W.77 allein für den Opener benötigen. Zur Einstimmung dient das kurze „HCTN“, dessen Intro-Anmutung gleich in „Holocausto Mundial (Chinatown)“ überleitet, dessen (Live-)Demo-Charakter zweifelsfrei eigentümlichen Charme versprüht. Allerdings spielt diesem die Kürze – auch des dritten Beitrags „No Conto Do Vigário“ – zu. Der merklich Punk-lastigere Sound macht aber einiges her, so dass die Auflösung des Namens in HARDCORE DE GARAGE zwar programmatisch, irgendwie aber auch ein Stück bedauerlich ausfällt.
Die B-Seite startet mit D.F.C. (DISTRITO FEDERAL CAOS), die seit bald zwei Jahrzehnten unterwegs sind und wie HCG in Landessprache schreien. „Puta Que Pariu“ beginnt mit einem Filmsample, ehe die Thrash-Hardcore-Kelle geschwungen wird. Die teils pfeilschnellen Lyrics finden ihre Entsprechung auch im schnörkellosen instrumentalen Zusammenwirken. Mit „A Bosta Humana“ und „Sunday Bloody Morning“ knüpfen die alten Hasen nahtlos an die Vorläufer-Nummer an, mischen dabei aber eine gute Portion Punk in die Knüppel-Tiraden mit ein.
Bei LIFE IN GRAVE erhält der Thrash wieder mehr Gewicht. Beeindruckend daran erscheint, dass das Duo seine Songs – namentlich „Graveweed“, „No Reason to Care or Live“ und „Global Madness“ – in kaum mehr als einer Minute schlüssig entwickeln kann. Gewöhnungsbedürftig bleibt hingegen der bisweilen halb-gesprochene Gesang, der in seiner gröligen Grundausrichtung keine echte Überzeugungskraft entwickelt. Doch auch wenn der Schlusspunkt das schwächste der vier Kapitel markiert, veranschaulicht das Dutzend Tracks über kaum 19 Minuten, dass eine Reise in den musikalischen Untergrund Brasiliens definitiv eine Reise wert ist!
Wertung: (7,5 / 10)