In „Manderlay“ reduziert Lars von Trier das Kino erneut auf Skizzen. Umrisse von Häusern sind auf den Boden des Bühnenareals gezeichnet, spärliche Requisiten gestalten die Interieurs. Es gibt einen stählernen Zaun, eine Treppe nebst Balkon und einen Esel. Den Rest muss sich der Zuschauer denken. Sogar fließendes Wasser. Teil zwei seiner Trilogie über die Doppelmoral amerikanischer Befindlichkeit funktioniert nach identischem Muster wie der Vorgänger „Dogville“. In der Rolle der Grace tritt Bryce Dallas Howard („The Village“) die Nachfolge von Nicole Kidman an.
Der Film handelt vom Scheitern der Demokratie, moralischer Umkehrung. Nach der falschen Frömmigkeit in „Dogville“ beschäftigt sich Autorenfilmer Lars von Trier mit Selbstgerechtigkeit und fehlgeleiteter humanitärer Intervention. Auf einer Plantage in Manderlay, Alabama, findet Grace die Fortführung der Sklaverei. 70 Jahre nach ihrer gesetzmäßig erlassenen Aufhebung. Empörung weicht Tatendrang, wenn die enthusiastische Frau die Befreiung der unterjochten Minderheit selbst in die Hand nimmt und die Prinzipien von sozialer Gleichheit notfalls mit Waffengewalt durchsetzt (an ihrer Seite findet sich u.a. Willem Dafoe, „Die letzte Versuchung Christi“).
Grace ist verjüngt, hat sich durch Bryce Dallas Howards Darstellung und Lars von Triers Skript zur naiven Idealistin zurückentwickelt. Das Scheitern ihrer Maßnahmen zur Weltverbesserung ist unweigerlich vorprogrammiert. Jedoch nicht um des Scheiterns Willen, sondern um von Triers zynischem Bild der USA zu genügen. Demokratie funktioniert nicht in dieser reduktiven Welt. Die Abnutzungserscheinungen des rudimentären Bühnenbilds und die Vorhersehbarkeit der überspitzten Dramaturgie scheinen dem Regisseur willkommen. Die Ästhetik trägt die Ideologie, die Hauptfigur wird zum Transporteur politischer Abrechnung.
„Manderlay“ ist ein pessimistisches Pamphlet, das den demokratischen Grundwert der Freiheit schier karikiert. Das Bild der nahezu perfekten Gesellschaft mit seinem obersten Gut der Mitbestimmung ist ein Trugschluss. Die Befreiten – darunter Danny Glover („Die Royal Tenenbaums“) – wählen lieber die Ketten, sie geben ihnen Sicherheit. Der soziopolitische Zündstoff dieser filmischen Provokation ist weniger subtil als in „Dogville“. Fast scheint es, als wolle Lars von Trier um jeden Preis die Grundpfeiler des amerikanischen Demokratieverständnisses in Frage stellen. Für intellektuellen Diskussionsstoff ist damit zweifelsohne gesorgt. Nur reibt sich die Intention des dänischen Filmemachers damit an der eigenen Polemik auf.
Wertung: (7 / 10)