The House That Jack Built (DK/S/D/F 2018)

„Don’t look at the acts, look at the works.“ – Jack

Lars von Trier ist ein Ausnahme-Regisseur. Im Arthouse-Kino gibt es kaum einen Zweiten, der mit seinen Werken – und als Person – derart polarisiert. Das verdeutlicht auch „The House That Jack Built“ (der Titel nimmt Bezug auf den gleichnamigen Kinderreim), in dem Serienmörder Jack (Matt Dillon, „Wild Things“) dem zunächst nicht näher spezifizierten Verge (Bruno Ganz, „Der Untergang“) im Off fünf „Ereignisse“ aus seinem Leben erzählt. Das Warum des Dialogs, das anmutet wie eine Konversation zwischen Psychiater und Patient, ist in seiner hochtrabenden Auflösung ein Grund für das relative Scheitern des Films. Und von Trier selbst, der durch Reminiszenzen an sein eigenes Gesamtwerk einmal mehr narzisstische Züge offenbart; auch wenn sich diese als Verdichtung seines Oeuvres in Richtung eines selbstformulierten künstlerischen Nachrufs deuten lassen.

Den Todestrieb verbirgt der hochintelligente Jack hinter der Fassade eines Normalos. In seinen oft ausschweifenden Erzählungen – der Film bringt es auf eine Laufzeit von fast zweieinhalb Stunden – gewährt er Einblicke in seine Vita; als Mensch und als Mörder. Der Mensch ist ein emotionsloses Konstrukt, das vor dem Spiegel grundlegende empathische Regungen proben muss. Das teils explizit gezeigte Morden versteht er als künstlerischen Akt. Wie das immer wieder verworfene Projekt, ein Haus im abgeschiedenen Idyll zu errichten. Größere Erfüllung verheißt ein ähnliches Vorhaben, bei dem Leichen als Baustoff dienen. Die dafür erforderliche Kühlkammer nimmt für Jack – und auch seinen Gesprächspartner – einen wesentlichen Stellenwert ein. Hier kann sich der Killer an den Konsequenzen seiner über zwölf Jahre in den 1970ern und 80ern verübten Taten unbehelligt ergötzen. Nur eine Tür stört, die sich partout nicht öffnen lässt.

Sie ist Ausdruck der Symbolik, mit der von Trier das blumige Psychogramm aufbläht. Mit der nüchternen Betrachtung eines „Henry – Portrait of a Serial Killer“ (1990) ist „The House That Jack Built“ daher auch nur auf den ersten Blick in Einklang zu bringen. Von Trier ging es nach eigenem Bekunden darum, das klassische Konzept des Bösen aufzuweichen. Der sehenswerten Performance Dillons ist zu verdanken, dass jener Jack nicht nur als Monster erscheint, sondern bisweilen gar charmante Züge offenbart. Dies Spannungsfeld wird bereits in der ersten Tötungsschilderung ersichtlich, bei der Uma Thurman („Kill Bill“) als Opfer in Erscheinung tritt. Dass ihre Anhalterin Jack durch geschwätzige Theorien, warum er unmöglich ein Serienmörder sein könne, so weit treibt, dass er sie während der Fahrt mit einem Wagenheber erschlägt, trägt unterschwellig groteske wie gleichsam latent frauenfeindliche Züge.

„You only talk about the stupid women. Unless you think all women are stupid.“ – Verge

Beim Mord an einer Frau (Siobhan Fallon Hogan, „Dancer in the Dark“) in der Provinz droht Jack, dessen Reinheitstick ihn wiederholt an den Tatort zurückkehren lässt, um akribisch Spuren zu verwischen, von der Polizei geschnappt zu werden. In Eile zieht er die Leiche hinter dem Auto her und hinterlässt eine Blutspur auf dem Asphalt, die direkt zu besagtem Kühlhaus führt. Den rettenden Starkregen deutet er als Zeichen, weiterzumachen. Das führt in der Folge u. a. zu einer makabren Treibjagd auf eine Mutter (Sofie Gråbøl, „Nachtwache“) und ihre Kinder, die Jack ohne Reue buchstäblich in Stücke schießt. Dass es ihm auch um Beziehungen geht, verdeutlicht sein Verhältnis zu Simple (Riley Keough, „Mad Max: Fury Road“), die er peinigt, erniedrigt und letztlich verstümmelt. Die Anflüge von Sympathie sind hier längst verflogen. Nicht zuletzt aufgrund der an „Jack the Ripper“-Geschichten angelehnten abgeschnittenen Brüste.

Zeit also für die Auflösung der Identität seines Off-Gegenübers. Die vollzieht sich, als Jack fünf entführte Männer mit einer einzigen Kugel zu töten versucht. Verraten sei an dieser Stelle nur so viel: Jack muss sich für seine Taten auf den Spuren von Goethes „Faust“ und Dantes „Göttlicher Komödie“ verantworten. Die Realität wird damit nachhaltig überhöht, was als Andeutung durchaus funktioniert hätte. Doch von Trier, der Jacks ausladende Schilderungen am Rande u. a. mit Szenencollagen aus seinen Werken (darunter „The Element of Crime“, „Breaking the Waves“, „Melancholia“, „Antichrist“ und „Nymphomaniac“) untermalt, trägt in Summe einfach zu dick auf. Der Schlussakt erscheint merklich zu lang, fast so, als fände sein Schöpfer nicht den richtigen Moment, um aufzuhören. Damit bleibt sich Lars von Trier zwar als Provokateur und Anti-Unterhaltungsfilmer treu, an gehobener Kunst schrammt sein Werk dennoch weiter vorbei, als es der Auteur beabsichtigt haben dürfte. 

Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

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