„They’ve been planning this for a million years. And these are only the first. They’ll keep coming.”
Hollywoods Wunderknabe Steven Spielberg ist zurück – und wieder hat er einen Kriegsfilm gedreht. Doch ist diesmal nicht Nazideutschland oder die Normandie Schauplatz der Handlung, sondern der Nordosten der USA. Auch bekriegen sich die Menschen nicht untereinander, sie müssen sich außerirdischer Invasoren erwehren. „Krieg der Welten“ wurde bereits 1953 für die Kinoleinwand und 1988 für den TV-Bildschirm aufbereitet. Die literarische Vorlage von H.G. Wells ist eine Allegorie auf den Imperialismus des britischen Empire im Gewand einer utopischen Schreckensvision. Letzteres Element verlegt Spielberg nach Amerika – und bricht das Schicksal der Menschheit auf den Familienvater Ray Ferrier (Tom Cruise, „Last Samurai“) herunter.
Tom Cruise haftet der Ruf eines Actiondarstellers mit beschränkten mimischen Fähigkeiten an. Dass ihm damit oft Unrecht getan wird, beweist er auch in „Krieg der Welten“. Als simpel gestrickter Hafenarbeiter schlüpft Cruise in die Haut eines Jedermanns – und dominiert allein das erste Drittel des Films mit selten offenbarter Ausdrucksstärke. Dass sich sein anfängliches schauspielerisches Hoch im weiteren Verlauf relativiert, liegt in erster Linie an Dakota Fanning („Man on Fire“). Die Elfjährige tritt als Cruises Filmtochter Rachel in Erscheinung. Zusammen mit ihrem älteren Bruder Robbie (Justin Chatwin, „Taking Lives“) wird sie in die Obhut des wenig bilderbuchtauglichen Vaters übergeben. Denn die von ihm getrennt lebende Ehefrau (Miranda Otto, „Der Herr der Ringe“) will mit ihrem neuen Lebensgefährten einen Kurztrip zu ihren Eltern unternehmen.
Als sich in den Nachrichten Meldungen über mysteriöse Blitzeinschläge und Stromausfälle in der ganzen Welt häufen, scheinen Naturphänomene die Ursache zu sein. Doch als diese auch in Rays unmittelbarer Nachbarschaft niedergehen, nimmt die Katastrophe ihren Lauf. Aus dem Boden erheben sich dreibeinige Ungetüme aus Stahl und beginnen die Menschen zu attackieren und die Städte zu vernichten. Mit knapper Not können die Ferriers der systematischen Zerstörungswut der unbarmherzigen Aggressoren entkommen. Doch hat der Albtraum mit der atemlosen Flucht gerade erst begonnen.
„Krieg der Welten“ ist weit mehr als nur eine stumpfe Destruktionsorgie. Das bedeutet nicht, dass es Spielberg nicht auf technisch höchstem Niveau zünftig krachen ließe. Doch stehen die effektlastigen Kriegsszenarien hinter guten Charakterzeichnungen und teils rabiatem menschlichen Egozentrismus zurück. Wenn sich ein wütender Mob mit Gewalt des Fahrzeugs der Ferriers bemächtigt oder die vermeintlich rettende Fähre einen Großteil der verzweifelten Flüchtlinge dem sicheren Tod überlässt, durchbricht Spielberg die normierten Bewegungsflächen ähnlich angelegten Kinobombasts.
Selbstverständlich folgt die Dramaturgie den Konventionen des Genres – vornehmlich zum Ende hin. Dort greifen auch Pathos und das Bild des heldenhaften US-Soldaten. Allerdings bleibt der Fokus eng genug bei den meist glaubwürdigen Hauptfiguren, um kleinere Schwächen im Drehbuch souverän zu kaschieren. Zwar erscheint das Bild der zerrütteten Familie, die in dunkler Stunde wieder zusammenfindet abgegriffen. Doch begegnet Spielberg manch abgedroschenem Klischee mit intensivierter Atmosphäre. Gekonnt dreht der Oscar-prämierte Regisseur an der Spannungsschraube und gönnt dem Zuschauer in den beunruhigenden Bildern seines Stammkameramannes Janusz Kaminski kaum eine Verschnaufpause.
Seine größten Augenblicke behält sich „Krieg der Welten“ für das Aufeinandertreffen zwischen Tom Cruise und Tim Robbins („Arlington Road“) vor. Die Flucht in ein Kellergewölbe führt Ray und Rachel mit dem selbstauferlegten Partisanen Ogilvy (Robbins) zusammen. Während die Invasoren außerhalb des Verstecks wie in der Vorlage rotes Gewächs sprießen lassen, entspinnt sich mit zunehmender Dauer ein beklemmendes Psycho-Duell zwischen den Männern. Spielberg inszeniert diese Episode als fesselndes Kammerspiel und lässt die bittere Klimax der Auseinandersetzung allein im Kopf des Zuschauers stattfinden.
Mehr „Signs“ als „Independence Day“, verblüfft „Krieg der Welten“ durch eine ausgefeilte Psychologie und den enorm düsteren Grundtenor. Zwar kann Spielberg die Klasse der ersten Hälfte nicht durchweg aufrecht erhalten, doch bleiben kleinere Mängel den Eigenarten des Blockbusters zu schulden. Der aus dem Off vorgezeichnete Weg in die Geschichte transferiert Einleitung und Schluss der Vorlage in die moderne Umsetzung. Allerdings fügt sich der eher naive Rahmen kaum als narrativer Wegzeiger ins überwiegend positive Gesamtbild ein. Dessen ungeachtet ist „Krieg der Welten“ ein perfekt inszenierter Science-Fiction-Streifen, der ohne Übertreibung als Großereignis des zeitgenössischen Krawall-Kinos betrachtet werden sollte. Und solche Referenzpunkte setzt eben niemand manifester als Steven Spielberg.
Wertung: (7 / 10)