„Modified animals are known to be unpredictable.“ – Dr. Henry Wu
Aus Fehlern lernen bedeutete für unsere Urahnen die Sicherung des eigenen Überlebens. Hätten sich die ersten Menschen jedem wilden Tier arglos in den Weg gestellt, das evolutionäre Rennen um die Krone der Schöpfung wäre sicher anders verlaufen. Dieser Instinkt jedoch scheint dem modernen Homo Sapiens abhandengekommen zu sein. Die systematische Zerstörung der Umwelt etwa hält trotz zunehmend aufgezeigter klimatischer Konsequenzen unvermindert an. Übertragen lässt sich diese Ignoranz auch auf Filmfortsetzungen. Denn hätte die Katastrophe im „Jurassic Park“ (1993) einen pädagogischen Nutzen gehabt, gäbe es mit „Jurassic World“ nicht bereits den vierten Teil der Reihe auf großer Leinwand zu bestaunen.
Und Staunen ist einmal mehr das richtige Wort. Zumindest bei den visuellen Effekten. Die langjährigen Produzenten-Partner Steven Spielberg und Frank Marshall („Zurück in die Zukunft“) sowie Regisseur Colin Trevorrow („Safety Not Guaranteed“) schöpfen erwartungsgemäß aus dem Vollen und präsentieren neue Spezies und ein zur globalen Touristenattraktion gereiftes Themenparkkonzept. Die südamerikanische Insel, auf der John Hammond einst Dinosaurier klonen ließ, kündet nur noch in den Ruinen seiner ursprünglichen Vision vom Scheitern des Unterfangens. Auf ihnen wurde eine kolossale High-Tech-Anlage errichtet, die im Ringen um anhaltende Besucherströme immer neue Sensationen bieten muss. Organisationsleiterin Claire Dearing (Bryce Dallas Howard, „The Help“) bringt das Dilemma auf den Punkt, wenn sie sagt, in der Wahrnehmung vieler Besucher bestehe kein Unterschied mehr zwischen einem Dinosaurier und einem Elefanten.
Ergo muss ein neuer Publikumsmagnet her. Einer von beängstigender Erscheinung, mit vielen Zähnen. Parkeigner Simon Masrani (Irrfan Khan, „Life of Pi“), der das Vermächtnis Hammonds gleichsam visionär und ähnlich naiv weiterentwickelt, hat durch das hauseigene Wissenschaftsteam um Dr. Henry Wu (aus dem Nachlass des Originals: B.D. Wong) eine komplett neue Gattung schaffen lassen. Der Indominus Rex ist eine Kreuzung verschiedener Spezies. Genetische Modifikation ist in Jurassic World Alltag. Durch sie werden Lücken in der DNA der Ur-Tiere geschlossen oder diese schlicht den Erwartungen des Publikums angepasst. Doch auch diesmal, das Gesetz der Serie will es so, geht etwas schief. Gehörig schief. Noch bevor der zwecks Gehege-Inspizierung konsultierte Ex-Soldat Owen Grady (Chris Pratt, „Guardians of the Galaxy“) die Verfehlungen aussprechen kann, ist das zur Tarnung fähige Monster auch schon entkommen und dezimiert in althergebrachter „Aliens“-Manier ein anrückendes Einsatzkommando.
So absehbar spektakulär die Optik auch sein mag, inhaltlich bleibt dies Sequel klischeehaft und insgesamt geradewegs mutlos konventionell. Die Ausschmückung des Parks ist mit seinem Dino-Streichelzoo, Kanufahrten zwischen Brontosauriern und einem Aquarium, in dem weiße Haie an hungrige Mosasaurier verfüttert werden, detailverliebt ausgeschmückt. Die darin eingebetteten Figuren jedoch bleiben nur Stereotypen, der Plot trotz Autorenquartett – darunter Rick Jaffa und Amanda Silver („Planet der Affen: Revolution“) sowie Regisseur Trevorrow – lediglich aus Bauteilen der ersten beiden Teile zusammengestückelt. Dass Claire im Dauerstress ihre Neffen Zach (Nick Robinson) und Gray (Ty Simpkins, „Insidious“) hüten soll, sorgt selbstredend für Turbulenzen, als diese sich auf eigene Faust in die Gefahrenzone begeben. Das klingt nicht nur seltsam bekannt, es wirkt auch, als würden die übrigen Bestandteile nicht ausreichen, um den Film auf Kurs zu halten.
Damit nicht genug, sorgt Owens Vorgesetzter Vic Hoskins (Vincent D’Onofrio, „Daredevil“) im Hintergrund für militärische Mauschelgeschäfte. Nur zu gern würde er die von Owen und Partner Barry (im Grunde nutzlos: Omar Sy, „Ziemlich beste Freunde“) abgerichteten Raptoren als Waffe der Zukunft präsentieren. Irgendwo dazwischen begeben sich die zugeknöpfte Claire und der charmante Haudegen Owen ins Inselinnere, um Zach und Gray zu retten. Gegen Ende, mit Ausbruch des Chaos im Besucherzentrum, läuft die nicht durchweg gut geölte Blockbuster-Maschinerie endlich auf Hochtouren. An der einsatzfreudigen Besetzung (neben einem Cameo von TV-Komiker Jimmy Fallon spielt „New Girl“-Star Jake Johnson eine amüsante Nebenrolle) liegt es nicht. Auch die Effektdesigner haben ganze Arbeit geleistet. Ein paar eigene Impulse hätten jedoch sicher nicht geschadet. Denn wo „Jurassic Park“ vor 22 Jahren Maßstäbe setzte, reicht es bei „Jurassic World“ über weite Strecken nur zu – zweifelsfrei unterhaltsamem – Dienst nach Vorschrift.
Wertung: (6,5 / 10)