„Diese Frau verdient ihre Rache. Und wir verdienen es zu sterben“ – Budd
Erinnern wir uns: Am Ende von Quentin Tarantinos zwiespältigem Blutbad „Kill Bill: Vol. 1″ kündigte der titelspendende Urheber der martialischen Gewaltexplosion, David „Kung Fu“ Carradine, einige Überraschungen für die vor Zorn rasende Killerin Uma Thurman an. Eine davon, wenngleich sicher nicht mit den Gedanken Bills korrespondierend, bildet die komplexere Persönlichkeit der einst namenlosen Braut. Die erhält mit Beatrix Kiddo sogar einen Namen. Informationen wie diese streut Tarantino eher beiläufig, sorgsam verpackt in zahlreiche Rückblenden. Mit einer solchen nimmt „Vol. 2″ denn auch seinen in schwarz/weiße Farbgebung getauchten Anfang, wenn nämlich der schicksalsträchtige Tag der einberufenen Hochzeit und das darauf folgende Massaker noch einmal Revue passiert wird.
Doch erweist sich die vermeintliche Trauungszeremonie lediglich als Generalprobe und der ungebeten wie urplötzlich auftauchende Bill als wahrlich todbringender Gratulant. Ein Szenensprung versetzt den Betrachter unter dem Feuer der hinzukommenden Killerelite zeitlich vorwärts zum Verschlag des abgewrackten Rausschmeißers und ehemaligen Profikillers Budd (Michael Madsen), wie später beleuchtet wird der Bruder Bills. Doch vermag dieser der mordgierigen Intention des Racheengels Beatrix zu trotzen und jene lebendig zu begraben. Sich auf die Stärken ihrer gnadenlosen Ausbildung durch Meister Pai Mei (Hong Kong-Legende Gordon Liu) berufend, entsteigt die Braut jedoch ihrer zugedachten Grabesstätte, zu nahe scheint die endgültige Rache. Zuvor muss neben dem heruntergekommenen Trinker Budd allerdings auch die kaltblütige Einäugige Elle Driver (Daryl Hannah, nach „Frankie The Fly“ erneut mit Michael Madsen vor der Kamera) beseitigt werden. Das führt zu einem gnadenlosen wie verbissen geführten Zweikampf der beiden Amazonen im knapp bemessenen Wohnwagen.
Als inhaltliches Bonbon präsentiert Tarantino noch immer Beatrix‘ Tochter, von deren Dasein die mordende Mutter nicht das geringste ahnt. Sie steht zwischen der finalen Abrechnung mit Bill und der Sicherheit ihres gemeinsamen Kindes. War der Auftakt zu „Kill Bill“ noch stark vom Eastern-Genre beeinflusst, kommt in der konsequent andersartigen Fortsetzung über weite Strecken der Western zum tragen. Mit der Gemächlichkeit eines Sergio Leone zelebriert Autor und Regisseur Tarantino in vergleichsweise schmalem Agitationsradius die finalen Duelle Beatrix Kiddos, zusammengekniffene Augenpartien und der inszenatorischen Ausrichtung angeglichene musikalische Begleitung selbstrededn inklusive. Überhaupt hält sich der gefeierte und für sein Skript zu „Pulp Fiction“ mit dem Oscar bedachte Kultgarant erstaunlich zurück, vornehmlich im Vergleich zu „Vol. 1″. Fast scheint es, als wären Tarantino beim Schlussakt zu „Kill Bill“ die Ideen ausgegangen. Doch erweist sich diese Zurückhaltung und der weitgehende Verzicht splattrige Scharmützel als nachhaltiger und gewinnbringender Vorteil. „Vol. 2″ erscheint geradliniger und eher dem Standard des virtuosen Auteurs angemessen. Tarantino rückt die Ausdrucksstärke seiner Dialoge, anders als beim Vorgänger, auf eine Stufe mit der famosen Bilderflut.
Die Fülle an Stilmitteln umfasst dabei Schwarz/Weiß-Einblendungen, grobkörnig gefilterte Handkamerabilder, Split-Screens, rasante Zooms und exploitativ bunte Ausleuchtung. Gewalteinlagen werden, wie in seinen früheren Werken, eher sporadisch und als Resultat der Handlungen der Protagonisten gestreut und nicht als bloßer Blickfang. Überdies erweisen sich die Referenzen und Verbeugungen vor diversen Filmschaffenden Vorreitern als subtiler und überzeugender, was allein das „Mr. Majestyk“-Kinoplakat in Budds Domizil untermauert. Neben der wandlungsfähigen Uma Thurman („Pulp Fiction“), den hochkarätigen und viel zu lange in schundigen Videoproduktionen verheizten David Carradine („Long Riders“) und Michael Madsen sorgen Samuel L. Jackson („Jackie Brown“), Sid Haig („Coffy“) und Bo Svenson („Heartbreak Ridge“) für darstellerische Weitsicht. Obwohl „Kill Bill“ in seiner Gesamtheit betrachtet zu einer eigentümlichen Einheit fusioniert, überragt der Abschluss den Auftakt, besinnt sich Tarantino bei „Vol. 2″ doch auf seine Wurzeln und führt einen überwiegend durchdachten Streich gegen die Erwartungshaltung des Zuschauers. Dass dieser Dank einer Freigabe ab 16 nun auch breitgefächerter in die Lichtspielhäuser strömen darf, verdankt das Sequel neben des spärlich gestreuten Gewaltaufkommens wohl in erster Linie der hinter den Erwartungen zurückgebliebenen kommerziellen Ausbeute des ersten Teils. Warum dieser Tage allerdings selbst Minderjährige bestaunen dürfen, wie die Braut den herausgerissenen Augapfel Elle Drivers genüsslich zwischen ihren nackten Zehen zerquetscht, darf in Zeiten aufkeimender Diskussionen zum Thema Film- und Fernsehgewalt ruhigen Gewissens hinterfragt werden.
Wertung: (7,5 / 10)