Kill Bill: Vol. 1 (USA 2003)

kill-bill-vol-1Da ist er nun, Quentin Tarantinos lang erwarteter vierter Streich „Kill Bill“. Quentin wer? Tarantino, jenes aus dem Gedächtnis des Mainstreamwunderlandes Hollywood aufgrund sechsjähriger Abstinenz beinahe getilgtes Regiewunderkind, welches mit „Pulp Fiction“ Kinogeschichte schrieb und nach dem oft unterschätzten Nachfolgeopus „Jackie Brown“ eine Kreative Auszeit in Anspruch nahm. Diese scheint der abgetauchte Garant für kultverdächtigte Leinwandausgeburten zu einem gehörigen Teil vor der Glotze zugebracht zu haben. Denn sein pompöses Mammutwerk „Kill Bill“, aufgrund der fast 200 minütigen Laufzeit gar in zwei unabhängig voneinander startende Teile aufgesplittet, peilt nach der künstlerischen Durststrecke die kühne Entschädigung jener Wartezeit an. Gemessen an der Fülle als stilistische Vorbilder fungierender Orientierungshilfen strebt Tarantino nicht weniger als neue Maßstäbe im auf festgefahrene Standards eingeschworenen Bewußtsein des internationalen Kinos an. Eine durchaus idealistische Aufgabe.

Doch wäre auch in diesem Falle wie so oft weniger schlicht mehr gewesen. Zwar bildet „Kill Bill: Vol. 1″ auf der einen Seite unbestritten die ambitionierteste Arbeit Tarantinos, auf der anderen jedoch gleichzeitig auch seine schwächste. Begraben liegen diese Unstimmigkeiten primär in der überwiegend mit der Dampframme ins Unterbewußtsein des Ottonormalkinogängers katapultierten Hommagen an zahllose Darsteller, Regisseure und Filme. Die prägen neben aufkeimender Oberflächlichkeit oftmals zu plump und wenig subtil die Quintessenz des Werkes. So schiesst dieser unbestritten liebevoll gestaltete kinematographische Raubbau passagenweise merklich über das Ziel hinaus und verliert im Zuge überstrapazierter Rückblenden wie überstilisierter Schlachtszenarien die eigentliche Wegrichtung aus den blutverkrusteten Augen. Teil des Konzepts sind einmal mehr ein schlichter Handlungsaufbau sowie darstellerische Übertreibung, sind diese doch zwingend notwendige Bestandteile des Selbstjustizkinos der 60er- bis 80er-Jahre.

Die Geschichte des Films ist die der namenlosen Braut (Uma Thurman). Die wurde am Tag ihrer Hochzeit samt Aufgebot vom ehemaligen Geliebten Bill (in diesem Teil noch ohne Gesicht: David Carradine), Oberhaupt der Viper Assassination Squad, und dessen Schergen (Lucy Liu, Daryl Hannah, Michael Madsen und Vivica A. Fox) hingerichtet. Vier Jahre später jedoch erwacht die vermeintlich Getötete aus dem Koma und verfällt in einen alles verschlingenden Rausch der Blutrache. Unter diesem regelrecht erzwungenen Zitateeintopf kollabiert der Streifen förmlich. Auf Ebene eines kollagierten Konstruktes funktioniert Tarantinos jüngster Wurf in seinem Hang zur episodenartigen Gewalt-Soap mitunter trefflich, obgleich ein Mangel erzählerischer Raffinesse kaum zu leugnen ist. Die einst kunstvoll zelebrierten inhaltlichen Verwebungen gestalten sich weniger fließend, beinahe stumpf und sporadisch, während Tarantino den legendären Sprachwitz eines „Pulp Fiction“ nicht minder schmerzlich vermissen lässt. Im Gegenzug bestimmen markige Einzeiler und oft substanzlose Dialogfetzen die verbale Komponente des von ihm selbst einmal mehr verfassten Drehbuches. Dessen Augenmerk liegt neben schwerfällig geschwungenen Reden am Ende eines jeden Scharmützels auf drastischen Gewaltsequenzen.

Diese präsentiert Quentin Tarantino entgegen des konsequenten Zynismus der erwählten Vorbilder als Anbiederung an massenkompatiblen Zeitgeist in Gestalt grotesk-comichafter Übersteigerungen. Dazu zählen meterhoch sprudelnde Blutfontänen und zu Hauf abgehackte Gliedmaßen. Das ist in seiner Gesamtheit zwar nett anzusehen und temporeich in Szene gesetzt, gerät im Fahrwasser des finalen Kampfes der Braut gegen die 88 (!) Untergebenen der sinistren Lucy Liu letzten Endes jedoch zum ermüdenden Gemetzel. Das übergroße Spektrum entliehener Elemente reicht vom Logo der legendären Eastern-Filmschmiede Shaw Brothers über Anspielungen auf „Star Trek“, Bruce Lees klassischen gelben Trainingsanzug aus „Game of Death“ bis hin zu Versatzstücken aus „Okami“, „Django“ und „Death Wish“. Doch auch wenn „Kill Bill: Vol. 1″ die Hintergründigkeit und Doppelbödigkeit einstiger Kopfgeburten Tarantino bisweilen vermissen lässt, bleibt der Film B-Kintopp von gehobener Güte.

Allein der brillante Soundtrack, die verspielten Toneffekte und die wunderschöne Fotografie durch Oliver Stones Stammkameramann Robert Richardson („The Doors“) gestalten den Film sehenswert.. Darüber hinaus rekrutierte Quentin Tarantino einmal mehr verschollen geglaubte Schauspieldinosaurier, etwa den seit zwei Jahrzehnten in Gefilden grottiger B- und C-Movies verstaubenden David Carradine („Kung Fu“), lediglich Zweitwahl als Ersatz für Warren Beatty, oder auch Daryl Hannah („Blade Runner“). Als nette Dreingabe wird darüber hinaus auch dem ehemaligen „Streetfighter“ Sonny Chiba sowie Shaw Brothers-Star Gordon Liu („Die 36 Kammern der Shaolin“) gebührender Tribut gezollt. Ansonsten wird das Bild von einer eher blassen Uma Thurman („Pulp Fiction“) bestimmt, die zwischen Rechtfertigung ihres Vergeltungszuges und Mitgefühl für die erlittene Pein taumelt. Lucy Liu („3 Engel für Charlie“) hingegen fegt diese eindimensionale Präsenz der Hauptaktrice mit sehenswerter Leichtfüßigkeit beinahe spielerisch beiseite, auch wenn ihre Figur im Ringen mit dem Tode ebenfalls nicht vor einem hohlen Abschieds-Oneliner gefeit scheint. Des weiteren erfreut das Wiedersehen mit Michael Madsen („Reservoir Dogs“), der seine Zeit viel zu lange mit billigen Direct-to-Video-Produktionen vergeudet hat, sowie Vivica A. Fox („Set It Off“) und Chiaki Kuriyama („Battle Royale“).

Man kann man „Kill Bill: Vol. 1″ einen hohen Unterhaltungswert wahrlich nicht absprechen, selbst wenn der blutige, in Japan in Sachen Gewalt sogar noch erweiterte Streifen oftmals zu gedehnt erscheint. Aber bei Tarantino muss eben alles unter einen Hut gebracht werden, sei es eine Huldigung der beliebten Animes, Gelbfilter, Spielereien wie das auditive überblenden des wahren Namens der Braut oder malerische Schwarz/Weiß-Sequenzen. Nur wird der künstlerische Geist nicht selten einem massenkompatiblen Puzzlespiel geopfert. Die furiose Choreographie des stilisierten Todestanzes besorgte niemand geringeres als Yuen Woo Ping („Matrix“). Trotz solch großer Namen bleibt das Ergebnis hinter der früher offenbarten Klasse Tarantinos zurück. Denn mit dieser lose verknüpften Zitatsammlung schrammt der Filmemacher am Meisterwerk mehr als nur um Klingenbreite vorbei.

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

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