Wenn sich für amerikanische Produktionen ein Gardeaufgebot namhafter Charakterdarsteller die Ehre gibt, dann können für solch prächtige Besetzungslisten im Grunde nur zwei Regisseure die Verantwortung tragen: „Stadtneurotiker“ Woody Allen oder Altmeister Robert Altman. Letzteren ereilte von Seiten der großen Studios in Hollywood die längst fällige Würdigung erst im Jahre 1992, als er der Traumfabrik mit „The Player“ auf hintergründige Weise einen Spiegel vorhielt. Und die Lobeshymnen nahmen kein Ende, denn das Folgewerk „Short Cuts“ gilt bis heute als Meilenstein des verschachtelten Erzählkinos und inspirierte augenscheinlich auch großartige Filmemacher jüngeren Ursprunges, etwa Paul Thomas Anderson („Magnolia“).
Mit „Gosford Park“ lief Altman nach kleineren Durchhängern wie „Dr. T and the Women“ endlich wieder zu alter Hochform auf und präsentiert zudem seinen mit Abstand „europäischsten“ Film. Unterstützung findet der großartige Inszenator in diesem Falle in einer erlesenen Auswahl überwiegend britischer Darsteller, darunter Michael Gambon („The Insider“), Maggie Smith („Harry Potter“), Stephen Fry („Oscar Wilde“), Emily Watson (Punch-Drunk Love“), Kelly Macdonald („Trainspotting“), Charles Dance („Alien 3″), Jeremy Northam („Ein perfekter Ehemann“), Helen Mirren („Excalibur“), Kristin Scott Thomas („Der englische Patient“), Ryan Phillipe („Way of the Gun“), Clive Owen („Croupier“), Richard E. Grant („Bram Stoker’s Dracula“), Tom Hollander („Enigma“) und der auch produzierende Bob Balaban („Harry außer sich“).
Auf einem feudalen Landsitz schart sich die Boheme Londons zusammen, um bei Tisch und auf der Jagd Intrigen zu spinnen und die gesellschaftliche Rangordnung zu behaupten. Eines jeden Gastes eigenes Dienstpersonal ist ebenfalls zugegen, jedoch residiert die Dienerschaft der feinen Gesellschaft im Untergeschoss des Hauses. Doch plötzlich wird der Hausherr ermordet und die Suche nach Täter und Motiv schwemmt in den verschiedenen Schichten schier unglaubliche Wahrheiten ans Tageslicht. Angenehm distanziert und doch immer nah am Puls des Geschehens kreirt Robert Altman in verwobenen Episoden ein präzises Gesellschaftsbild der 30er-Jahre und Verzichtet zugunsten einer innigen Beleuchtung intimer Momentaufnahmen auf die Vordergründigkeit der Tätersuche. Der Mord und der daraus resultierende Kriminalfall rücken zugunsten von Intrigen, Anfeindungen und verborgenen Gelüsten in den Hintergrund. Was zählt ist schlicht die oftmals ironische Aufdeckung einzelner Charakterbilder.
Meisterlich schlagen Altman und der Oscar-prämierte Autor Julien Fellowes eine Brücke über die gesellschaftliche Kluft und springt bei der präzisen Betrachtung einzelner Schicksale mitsamt ihren Lebenslügen und Geheimnissen leichtfüßig von der edlen Abendgesellschaft zum untergeordneten Kreise der Bediensteten. In opulenter Ausstattung schwelgend, versteht sich „Gosford Park“ jedoch in erster Linie als kammerspielartig anmutender Blick hinter die Fassade der adeligen Oberschicht. Im Hinblick auf die feilgebotene Inbrunst der großartigen Akteure lebt der Film vom perfekt ineinander greifenden Spiel des überaus treffend besetzten Ensembles. Dass sich die Knoten am Ende im stillen Kämmerlein lösen, bildet den finalen Schlusspunkt einer brillanten Inszenierung mit konsequentem Verzicht auf konventionelle Dramarturgie. Von diesem Standpunkte aus dürfte „Gosford Park“ sicherlich nicht jedermann anzuraten sein, doch Cineasten und Freunde anspruchsvoller Unterhaltung ohne gekünstelte Wirklichkeitsverzerrung kommen bei diesem exzellenten Werk voll auf ihre Kosten.
Wertung: (8 / 10)