Eisenpimmel – Viva la Nix! (2016, Kaputte Jugend Records)

eisenpimmel-viva-la-nixBank’s Not Dead!

Das Banken- und Finanzsystem ist krank. Wer das nach der jüngsten Krise noch nicht begriffen hat, zahlt vermutlich mit Handtüchern. Monetäre Totalverweigerung spielt auch bei „Viva La Nix!“ eine Rolle, dem neuesten Wurf der Ruhrpott-Asi-Punks EISENPIMMEL. In 35 Kapiteln widmen sich die Duisburger der Welt des Geldes und servieren ein skurril-satirisches Opus zwischen Punk-Rock und Kleinkunst. Als Konzeptalbum geht das fraglos durch, nur scheint die Auswertung auf Konserve fast schon zu eng gesteckt. Ein Werk wie dieses gehört auf die Bühne, als Mischung aus Konzert und Theaterstück. Denn um den wirtschaftlichen Wahnsinn zwischen Kreditklemme, schwindender Geldwertstabilität, Deregulierung der Finanzmärkte und  Lohnuntergangsstimmung (be-)greifbar zu machen, werden immer wieder Hörspielszenen eingestreut.

„Was soll’n wir mit der Altersarmut, jetzt schon?“ – ‚Depressive West-Bewohner‘

In denen tummeln sich kauzige Gestalten, die in markantem Ruhrpott-Slang philosophische Gedanken krakeelen, Renditen am Flaschenpfand erörtern oder im Kiosk zur Lakritze noch für 5 Pfennig Kommunalobligationen kaufen. Dass die Arbeit an diesem ambitionierten Mammutwerk – angeblich aus der Sicht eines Girokontos erzählt – rund drei Jahre verschlang, bleibt angesichts des spürbaren Aufwands nachvollziehbar. Unterstützung erhalten EISENPIMMEL dabei von illustren Gastakteuren wie DIE ÄRZTE-Sänger Bela B. (bei „Mein Leben ist Scheiße“) und Schlager-Ikone Guildo Horn (bei „Zeig mir den Weg zur nächsten Nichttrinkerkneipe“). Musikalisch nimmt der Punk zwar den überwiegenden Teil ein, doch beweist die Truppe bei der Auskleidung ihres Pamphlets gegen Verschwendung und Kaputtsanierung bemerkenswerte kreative Vielseitigkeit.

„Ich mach jetzt ´ne Umschulung zur staatlich geprüften Wichsvorlage.“ – ‚Lass mich sprechen mit die Lippen der Weisheit‘

Zwar bleiben EISENPIMMEL nicht um schrägen Gesang und Geschrammel verlegen, bedienen mit Blues-Rock („Flenn mir einen Krautsalat“), Western-Gitarre („Für eine Handvoll Wachstum“), Prog/Metal („Tritt die Sorgen in den Arsch“), Elektro-Extravaganz („Zeig mir den Weg zur nächsten Nichtraucher-Kneipe“) oder Hip-Hop (beim von Kai Uwe 4 PS Tute vorgetragenen „Im Wurstparadies“) aber vielseitige Klangspektren. Das beginnt bereits bei der „Overture“, in der sich Möwengelächter mit Fanfaren verbindet, ehe der Rock Einzug hält und von Schafsgeblöke und Protesttiraden begleitet wird. Selbst vor Kinderlied-Systematik („Kleiner Punker Käsebrot“) und Leierkasten („Das rollende Hundeklo“) machen die Punk-Exzentriker nicht Halt – wobei hier das Maß des Erträglichen fast schon überschritten wird.

„Wenn mittellose Großkonzerne dir befehlen, du sollst einen großen Computer erfinden, sag nein!“ – ‚Auf der Suche nach Problemen‘

Überhaupt sollte die Doppel-Langrille vornehmlich als Ganzes rezipiert werden, denn einzelne Bruchstücke des Gesamtkontextes funktionieren für sich betrachtet eher bedingt. Davon ausgenommen bleiben die standesgemäßen Punk-Klopper zu („Ass im Ärmel“, „Depressive West-Bewohner“, „Barverkehr, Baby!“, „Ab auf die Straße!“, „Uninteressante Minderheiten“), die bisweilen auch das gesprochene – oder in Wut erhobene – Wort in den Vordergrund stellen. Auch vor Obszönitäten („Schlimmer Finger“, „Wat geht mit Ficken?“), Absurditäten („Ein Kackstuhl aus Pomm Fritz“, „El Sacko“) oder Oden an Alkohol („Grundlos durstig“) und Lebensraum („Ruhrpott Rhapsodie“) wird nicht zurückgeschreckt. Auf „Viva La Nix!“ ist eben alles erlaubt. Um konstruktive Lösungsansätze geht es dabei nicht, mehr schon die Absurdität eines Systems, das für Normalsterbliche in seiner umfassenden Dimensionierung kaum greifbar erscheint. Aber solange es große Satire wie diese gibt, können wir unserem düsteren ökonomischen Schicksal wenigstens mit einem Lächeln entgegentreten.

Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

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