Die Trennung von Band und Sänger kann reibungsfrei funktionieren. Oder, wie im Falle von SLIME, mit Querelen einhergehen. Nach dem Ausscheiden von Dirk Jora wurde die Frage nach dem Fortbestand des Deutsch-Punk-Klassikers mit der Vorstellung von Tex Brasket beantwortet. Dass sich der Charakter der politischen Mahner und Aufrührer durch ihn verändern würde, schien erwartbar. Die Tragweite dieses Prozesses, quittiert durch das 2022 erschiene Album „Zwei“, jedoch nicht.
Der Berliner Frontmann war früher obdachlos. Wie sehr das den Blick aufs Leben verändert, deutet das Gros der 16 Tracks an. Die werden allesamt mit spürbarer Leidenschaft gesungen – oder zeitweise mehr gesprochen. Dazu donnert der Punk mit merklich rockiger Ader. Zwischendurch bricht die Gitarrenfront auch mal Richtung Metal aus. Damit mangelt es Band und Platte keinesfalls an Feuer. Wohl aber an dem, was die Marke SLIME in der Hauptsache ausgemacht hat: teils radikaler Protest.
Die Art, in der Brasket seine Erfahrungen vom Leben auf der Straße teilt, ist fraglos packend. Dazu ungeschönt und partiell erschütternd. Allerdings nimmt dieser thematische Komplex auf „Zwei“ den überwiegenden Raum ein. Als Verortung funktioniert der Opener „Komm schon klar“ nahezu furios. Nur fehlt in der Folge bisweilen die Variation, die bei „Safari“ (sowie der Kirchenkritik „Mea Culpa“ oder auch „Taschenlampe“) zwar die politische Keule schwingt, daneben aber lieber auf Vorwärtsverteidigung („Nix von Punkrock“) und Mittelfingerattitüde („Weil Fickt euch alle“) setzt. Damit bleibt ein unzweifelhaft eindrückliches, darüber aber nicht weniger polarisierendes Werk.
Wertung: (6,5 / 10)