100 Kilo Herz – Zurück nach Hause (2023, Bakraufarfita Records/Broken Silence)

„Solange meine Augen leer sind, kannst du alles darin sehen…“ – ‘Ohne Worte‘

Es gilt erneut zu betonen: 100 KILO HERZ sind nicht FEINE SAHNE FISCHFILET. Mit ihrem jüngsten Album, „Zurück nach Hause“, wird das deutlicher denn je hervorgehoben. Gemeinsam bleibt die Bläserbeteiligung. Und die glasklare politische Positionierung. Der Unterschied liegt in der Tonalität. Das Zeug, um Stadien zu beschallen, muss zweifelsfrei auch 100 KILO HERZ attestiert werden. Die nachdenkliche Note rückt die Band aber charakterlich näher an Genre-Kollegien wie PASCOW oder …BUT ALIVE (die im Opener „Lichter aus“ einmal mehr benannt werden) heran. Damit einher geht eine Wucht, die sich zwar musikalisch vielseitigen Einflüssen öffnet (exemplarische Beachtung verdient die Klavierbegleitung beim wichtigen, von JUPIER JONES-Sänger Nicholas Müller begleiteten „Keine Zeit für Angst“), darüber aber die feste Verwurzelung im Deutsch-Punk nie vergisst.

So wird es mal rockig (gestützt vom Duett mit KOPFECHO-Frontfrau Amy Vilon bei „Eine Hölle in Pastell“), mal quasi-balladesk (siehe die Vierbeiner-Ode „2694 Tage“), bleibt dabei aber immer tanzbar. Dass trotzdem Druck und Vorwärtsdrang regieren, ist dem einnehmenden Melodienreichtum kein Hindernis. Obendrauf stapeln 100 KILO HERZ treffliche hymnische Momente, die auch bei „Station 30“ (die Vorab-Single über den Notstand der Pflegebranche wird von einer Interview-Collage mit betroffenen Fachkräften in seiner Relevanz bestärkt), „Das richtige Wort“, „Ohne Worte“, „Alleine leuchten“ oder „Brocken. Pflaster. Steine.“ zur Ausgelassenheit anspornen. Das dürfte kommenden Live-Shows der Leipziger einen stattlichen Spektakel-Schub bescheren; wohlgemerkt ohne Kniefall vor einem möglichst breiten Publikumszuwachs. Dennoch dürfte das Sextett mit seinem dritten Langspieler endgültig die längst verdiente Aufmerksamkeit sichern – und nachhaltig dafür sorgen, dass bei deutschsprachigem Brass-Punk nicht primär an FEINE SAHNE FISCHFILET gedacht wird.    

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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