Deadbeat at Dawn (USA 1988)

„If you ever do that again, I’m gonna pull your eyeballs out of your head and eat ‚em!“ – Danny

Mehr Independent geht nicht: grieselige Bilder, triste Großstadtkulissen, semi-professionelles Schauspiel – und obendrauf ein Plot, der von Gewalteinlagen mit gesteigertem Sleaze-Faktor flankiert wird. Der Name Jim Van Bebber (Alternativschreibweise: VanBebber) steht seit seinem Debüt „Deadbeat at Dawn“ für raue „Filmkunst“ weit abseits des Mainstreams. Um seinen über vier Jahre gedrehten Erstling zu finanzieren, nutzte er den eigentlich für sein Studium an der Filmhochschule vorgesehenen Kredit und brach die Ausbildung ab. Diese unangepasste Mentalität haftet auch seinem Drama-Actioner an, der ins Milieu von Straßengangs blickt, die nur eigenen Regeln und Gesetzen folgen. 

Dabei gilt es vorab, für die Erwartungshaltung bedeutende Aspekte zu relativieren: „Deadbeat at Dawn“ wird gern als Gesellschaftsreflexion bezeichnet – und überdies als zünftiges Gorefest. Beide Punkte entsprechen nicht der Realität. Richtig ist, dass Van Bebber menschliche Niederungen skizziert. Nur resultiert daraus beileibe kein soziales Stimmungsbild. Ein gesamtgesellschaftlicher Kontext wird bestenfalls angerissen. Noch schwerer wiegt in diesem Kontext aber, dass die Figuren kaum Projektionsfläche für Systemkritik bieten. Bleibt also die Gewaltdarstellung, die fraglos explizit ausfällt, bis zum Schlussdrittel aber eher dosiertes Mittel zum schockorientierten Zweck bleibt. 

Zentrum des Plots ist der von Van Bebber („The Manson Family“) selbst verkörperte Goose, Anführer der Straßenbande Ravens. Sein Erzfeind ist Schnauzbarträger Danny (Paul Harper), Vorsteher der Spiders und ausgemachter Soziopath. So schlägt er etwa lachend eine Bettgespielin nieder, als sie ihm eröffnet, schwanger zu sein. Gefühliger geht es da schon Goose an, dessen Christy (Megan Murphy, „Shredder Orpheus“) aber die Abkehr vom harten Leben der Straße fordert. Nach einem blutigen Messerkampf mit Danny, aus dem Goose als Sieger hervorgeht, sinnt sein Widersacher auf Rache. Die soll sich vollziehen, als Goose die Ravens an Keith (Ric Walker) übergibt und dem Leben als Gossen-Anarcho abschwört.

„I hate people, man. I don’t care. I don’t give a shit. I don’t give a shit about nothin‘. Man, all my life people have fucked with me. Don’t you fuck with me, man. I just fuckin‘ hate people. I hate people and I don’t care. I just don’t fuckin‘ care. I don’t care. I’m the baddest motherfucker you ever saw, man.“ – Bone Crusher

An seiner Statt gerät jedoch Hobby-Hexe Christy in die Klauen des von Danny ausgesandten Mörderduos. Dabei muss die Frage erlaubt sein, warum die Wohnungstür von außen (!) mit einem Vorhängeschloss gesichert ist. Die brutale Ermordung seiner Flamme wirft Goose komplett aus der Bahn. Zunächst sucht er Unterschlupf bei seinem Vater (Charlie Goetz), einem paranoiden Junkie, der mit einem Baseballschläger bevorzugt Löcher in die Wände seiner Wohnung prügelt. Diese Episode unterstreicht fraglos den abfefuckten Charakter des Gesamtwerks, bringt die Geschichte aber keinen Deut nach vorn. So driftet Goose abwärts, verkloppt im Suff gar einen Obdachlosen („Uhrwerk Orange“ lässt grüßen), um dessen Schnaps zu erbeuten.

Aus dem destruktiven Sog holt ihn ausgerechnet Keith, der mit Danny einen Plan ausgeheckt hat, der – warum auch immer – Gooses Unterstützung erfordert. Der kollaborative Überfall auf einen Geldtransporter soll die Gangs zusammenschweißen. Doch will Danny die Gelegenheit nutzen und neben Goose die gesamten Ravens ausschalten. Ein sympathisches Versäumnis ist dabei, dass der zerrüttete Goose den Raubzug nicht als Basis für eine Vendetta an Christys Mördern betrachtet; er erfährt nicht einmal, wer die wahren Täter sind. Dass diese trotzdem ihrer (nach moralischen Standarten des Bahnhofskinos) gerechten Strafe zugeführt werden, ergibt sich eher daraus, dass Goose mit der Beute türmt und diese Christys jüngerer Schwester zuzuführen gedenkt. Dass er, von Dannys Häschern gejagt, unterwegs einen Drive-In-Kiosk ausraubt, will aber partout keinen Sinn stiften.

Überhaupt bietet „Deadbeat at Dawn“ im Schatten der betonten Abgründigkeit manch unfreiwillig komische Tendenz: Wenn Goose auf dem Friedhof mit Messer und Nunchaku Kampsportübungen macht und der urbanen Metropole ein inbrünstiges „You motherfuckers!“ entgegenraunt, wächst das Grinsen abseitiger Filmfreund*innen ebenso wie bei Christys „Beerdigung“ in einer Müllpresse. Gang-Kampfnamen wie Asphalt oder Bone Crusher mehren den Charme ebenfalls, wobei sich der von Marc Pitman („True Nature“) gespielte Zweitgenannte zudem durch absurd verdrogte Monologe hervortut. Gooses Qualitäten als Aushilfs-Karateka kommen zum Tragen, als er an einem Güterbahnhof gestellt wird und Dannys Gefolge zu Klump prügelt. Dabei nährt gerade die finale Konfrontation mit seiner Erz-Nemesis in ihrer konsequenten Gewaltübersteigerung den Ruf des Streifens als Quasi-Splatter. Wer’s dreckig braucht, wird hier zufriedenstellend bedient.

Wertung: 6.5 out of 10 stars (6,5 / 10)

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