Combat Shock (USA 1984)

„I’m a hero. God help me!“ – Frankie

Von TROMA-Produktionen ist gemeinhin übermütiger Trash zu erwarten. Eben solcher, wie er in Klassikern des Kalibers „The Toxic Avenger“ (1984) oder „Class of Nuke ‚Em High“ (1986) offenbar wird. Dass die Firmeneigner Lloyd Kaufman und Michael Herz auch anders können, belegt „Combat Shock“, eine nihilistische Grindhouse-Tragödie, die im krassen Kontrast zum Gros des TROMA-Katalogs steht. An der Produktion selbst waren Kaufmann und Herz nicht beteiligt. Sie kauften die Rechte am fertigen Film und erstellten eine alternative Schnittfassung, in der die Rückblicke nach Vietnam mit Doku-Aufnahmen von Bombardements u. Ä. angereichert sind. Damit wollten die TROMA-Chefs offenbar ein Mehr an Action bewirken, das den Marketingansatz eines Genrestreifens in „Rambo“-Manier (ein echter Coup ist das alternative VHS-Cover!) stützen sollte.

Neben der Ur-Fassung (unter dem Titel „American Nightmares“) sowie dem TROMA-Cut existiert auch ein gestraffter Director’s Cut, der die Änderungen durch Kaufman und Hertz rückgängig macht und den Film so präsentiert, wie er ursprünglich intendiert war. Dabei ist „Combat Shock“ quasi eine Familienangelegenheit: Buddy Giovinazzo („Unter Brüdern“) sorgte für Regie, Produktion, Drehbuch und Schnitt, während Bruder Rick die Hauptrolle bekleidete (es sollte sein einziger Auftritt als Schauspieler bleiben) und den teils unpassend lässigen Synthie-Soundtrack beisteuerte. Seit den späten 1990ern ist Rick als Arrangeur für orchestrale Scores tätig und wirkte u. a. an „Transformers“ (2007), „The Dark Knight Rises“ (2012) und „Solo: A Star Wars Story“ (2018) mit.   

Sein Frankie Dunlan ist Triebfeder des radikalen No-Budget-Schockers. Der Militärdienst während des Vietnamkrieges hat ihn zerrüttet. Nacht für Nacht kehrt er dorthin zurück und erlebt in Bruchstücken das Grauen, wenn er von seiner Einheit getrennt durch die halbwegs passende Naturkulisse stapft, ein ziviles Opfer fordert und in Gefangenschaft gefoltert wird. Im Grunde ist Frankie im Krieg gestorben. Selbst seine hochschwangere Frau Cathy (Veronica Storck) attestiert ihm, dass er wie ein Zombie umherwandle. Mit ihr und entstelltem Baby haust er in einem Rattenloch im New Yorker Elendsviertel. Ohne Geld, ohne Perspektive. Es mangelt an allem: Essen, Kleidung, Arbeit, nicht zuletzt Behandlungsmöglichkeiten für das kranke Baby.

Rambo lässt grüßen: Die irreführende Anmutung eines VHS-Covermotivs

„You’re not looking for a job. You’re waiting for the world to end.“ – Cathy

Dessen geisterhafte (und budgetgemäß unnatürliche) Erscheinung ist auf das im Krieg verwendete Entlaubungsmittel Agent Orange zurückzuführen. Die Auswirkungen des Kampfeinsatzes, bei dem die wahren Hintergründe der Erinnerungsfragmente lange offen bleiben, lassen Frankie nicht los. Auf der Suche nach Arbeit streift er durchs Viertel; eine verwahrloste Ecke von Staten Island, an der Pflanzenbüsche aus den Gehsteigen wuchern und Junkies wie Mike (Michael Tierno, „Nocturne“) schleichend vor die Hunde gehen. So trist die urbane Anmutung, so aussichtslos die Chance auf Besserung. Gossen-Kredithai Paco (Mitch Maglio) fordert vehement Schulden von Frankie, dem aufgrund von Mietrückständen der Rausschmiss aus der kargen Wohnung droht.

All das unterstreicht: „Combat Shock“ ist kein Unterhaltungsfilm, sondern ein Schlag in die Magengrube. Giovinazzo ließ sich durch das spärlich vorhandene Budget in seiner Ambition nicht ausbremsen. Die bedingt überzeugenden Vietnamszenen oder das unecht aussehende Baby zerren den Film nie in die Trash-Ecke. Mehr noch stützt die Machart, in der jede Not eine Tugend zu sein scheint, den schroffen wie gleichsam gnadenlos pessimistischen Charakter. Dass die Gesellschaftskritik plakativ bleibt und die Dramaturgie (u. a. bei der Episode mit Frankies Vater) holpert, mindert den Nachhall nicht im Geringsten. Denn unabhängig von der persönlichen Wertung: Vergessen wird man das Gesehene nur schwerlich.     

Dass als Referenzwerke gern „Eraserhead“ (1977) und „Taxi Driver“ (1976) bemüht werden, mag momentweise vergleichbaren Stimmungsbildern entsprechen; vorrangig getragen vom monströsen Baby, der peripher thematisierten Zwangsprostitution Minderjähriger und dem gewaltsamen Schlussakt. Ein gravierender Unterschied besteht allerdings darin, dass „Combat Shock“ das Gefühl vermittelt, der Tod sei für die Hauptfiguren der beste Ausweg. So gesteht sich Frankie die bittere Wahrheit seines Kriegstraumas letztlich ein. Das genügt zwar nur vordergründig als Erklärung für das finale Blutbad, mindert hingegen nicht die Drastik der Bilder (siehe die Zweckentfremdung des Ofens). Dass der gebürtige Italiener Buddy Giovinazzo, der später auch mehrere „Tatort“-Episoden inszenierte, in der Hauptsache wegen dieses Underground-Klassikers in Erinnerung bleibt, dürfte ihn kaum stören. Wo TROMA draufsteht, ist eben nicht zwangsläufig übermütiger Trash enthalten.   

Wertung: 6.5 out of 10 stars (6,5 / 10)

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