Früher galt Dario Argento als Visionär, als kunstvoller Meister des Horrorfilms. Werke wie „Suspiria“ (1977) begeistern bis heute und sein Euro-Cut von „Zombie – Dawn of the Dead“ (1978) trug maßgeblich zum Kultstatus von George A. Romeros Splatter-Klassiker in der alten Welt bei. Doch Argento ist seit langem außer Form und dreht bestenfalls mittelmäßige („Giallo“), meist jedoch einfach enttäuschende („Mother of Tears“) Abbilder alter Erfolge. Hoffnung keimte mit Ankündigung einer freien Interpretation des Dracula-Mythos auf. Nur entpuppt sich diese bei näherer Betrachtung als weiterer Sargnagel der einst so bedeutenden Karriere.
Argento mag das Projekt als Herzensangelegenheit empfinden und tatsächlich hätte eine eigenwillige Verquickung von altmodischem Grusel und klassischem Euro-Exploiter das Potenzial gehabt, die Zweifler verstummen zu lassen. Das vorgelegte Ergebnis allerdings mahnt zum Gegenteil. Denn die freie Adaption von Bram Stokers klassischer Schauergeschichte fährt nicht allein billige 3D- und lachhafte CGI-Tricks auf, sondern hat mit Thomas Kretschmann auch einen Dracula-Darsteller bei der Hand, der steifer agiert als jeder Bettpfosten. Dabei ist Kretschmann, mit dem Argento bereits bei „Das Stendhal Syndrom“ (1996) zusammengearbeitet hatte, eigentlich ein patenter Darsteller. Mangelnde Überzeugungskraft bleibt aber nicht allein ihm vorbehalten.
Neben dem Gros der übrigen Darsteller gilt das vor allem für das von Argento co-verfasste Skript. Das folgt grundlegend der Vorlage, wenn Jonathan Harker (Unax Ugalde, „Alatriste“) ins rurale Karpaten-Nirgendwo reist und Briefe an seine Liebste Mina (Marta Gastini, „Borgia“) schreibt. Die Anstellung beim Grafen Dracula bekommt ihm nicht gut und als der Vampir ein Bild Minas in die Hände bekommt, stellt er ihr nach. Erstes Opfer wird jedoch ihre Freundin Lucy (ausdruckslos: Argento-Tochter Asia, „Land of the Dead“), deren Tod (und Auferstehung als Blutsaugerin) Vampirjäger Van Helsing (Rutger Hauer, „Hobo with a Shotgun“) auf den Plan ruft.
Die einzelnen Namen (darunter auch Komponist Claudio Simonetti, der mit Goblin manch stilbildenden Soundtrack schuf) verfügen für sich genommen über ausreichend Gewicht. Trotzdem scheitert „Dario Argentos Dracula“ (Originaltitel: „Dracula 3D“) auf ganzer Ebene. Dabei spielt Argento traditionell auf der Klaviatur des Gruselfilms und schmückt den Streifen mit einer Aura mystischer Naivität. Doch so ernst er die klassische Genre-Lesart auch nimmt, das visuelle Bemühen und die betont zeitlose Aufmachung können zu keiner Zeit über akute Langeweile und hölzerne Darsteller hinwegtäuschen. Neue Facetten gibt es nicht. Nur unbeabsichtigte Albernheit.
Die opulente Hommage, die Francis Ford Coppola mit seiner durch übertriebene Gesten bereits streitbaren Verfilmung von 1993 bot, gibt Argento der Lächerlichkeit preis. Kretschmanns Vampirfürst, der sich u.a. in Eule, Wolf oder Fliegenschwarm verwandelt, ist nie so leidenschaftlich romantisierend wie einst Bela Lugosi und erst recht nicht so abgrundtief böse wie Hammer-Star Christopher Lee. Darstellerische Solidität versprüht einzig Rutger Hauer, der im B-Sequel „Dracula III: Legacy“ (2005) selbst schon in die Rolle des berühmten Blutsaugers schlüpfte. Insgesamt ist dieses Argento-Spätwerk ambitionierter als zuletzt und doch seltsam frei von jeder Klasse. Horrorfans dürfen den einst großen Filmemacher wohl endgültig abschreiben.
Wertung: (3 / 10)