Die besten Dinge im Leben sind meistens die, die man sich selbst erarbeiten muss. Das behaupten zumindest Menschen, die keine Erfahrungswerte darüber haben, wie angenehm ein Leben als hauptberuflicher Erbe oder Shitcoin-Millionär sein muss. Wo die Aussage aber zumindest aus meinen eigenen Erfahrungswerten als Nicht-Millionär zutrifft, ist Musik. Die Alben, die es in meine Alltime-Favorites geschafft haben, sind immer Songsammlungen, die auf den ersten Blick unglaublich sperrig und unzugänglich wirken, oder die meinem Musikverständnis voraus waren. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass Bands wie THURSDAY oder THRICE gerade deshalb meinen Geschmack so sehr geprägt haben, weil ich aus der Hörerperspektive erst einmal nacharbeiten musste, um die Seite der Künstler zu verstehen.
Für das erste CRIME IN STEREO-Album seit dem 2010 erschienenen „I Was Trying to Describe You to Someone“ bin ich also zugegebenermaßen der ideale Hörer. Denn so wirklich auf Anhieb zündet der fünfte Longplayer der Band aus Long Island nicht. Das soll nicht heißen, dass die Songs in ihrer Konstruktion unglaublich progressiv wären und den Hörer mit abgefahrenen Takt- oder Tempowechseln überfahren würden. Eher im Gegenteil: Die zehn Tracks sind eher unaufgeregt und wirken zu Beginn eher wie Hintergrundbeschallung. Aber das Fazit lautete eben doch: Grower statt Shower. Denn bei den nachfolgenden Durchläufen zeigt sich die Qualität in der Komposition, der Emotion und vor allem der Atmosphäre der Songs, die mehr oder weniger alle dort weitermachen, wo „Small Skeletal“ oder „I Am Everything I Am Not“ auf den letzten Longplayern hingedeutet hatten. Und plötzlich schälen sich zunehmend Ohrwürmer wie „Superyacht Ecopark“, „Rogue Wave“ oder der nachdenkliche Synthrock-Closer „Skells“ aus der Masse der Songs heraus.
Vor allem die leicht verträumte, unaufgeregte und bei Zeiten melancholische Atmosphäre auf „House & Trance“ ist auch der Grund dafür, dass CRIME IN STEREO 2023 etwas gelingt, was kaum einer anderen Band im Rock-Genre überhaupt noch gelingt: CRIME IN STEREO klingen wie niemand außer CRIME IN STEREO und niemand sonst klingt wie CRIME IN STEREO. Das macht selbst die Genre-Einordnung von „House & Trance“ schwierig: Für Punkrock oder Hardcore sind die Songs zu ausgefeilt, melodisch und zu langsam, für Post-Rock sind die Songstrukturen vermutlich nicht vertrackt genug und für Emo fehlt irgendwie das Flair des Genres. Vermutlich ist „so etwa der Stil von BRAND NEW“ die beste Beschreibung für das, was hier geboten wird – aber eben auch nicht so wirklich.
Zentrale Elemente des Sounds auf „House & Trance“ sind derweil etwa, dass der exzellente Bass von Eric Fairchild deutlich mehr im Fokus des Songwritings steht als bei anderen Bands und sowie die spezielle Note, die Frontmann Kristian Hallbert dem Album aufdrückt – sowohl mit einer sehr eigenen Stimme, aber auch mit den interessanten und reflektierten Texten. Dabei ist auch relativ schnell klar, dass der Sänger von CRIME IN STEREO nicht unbedingt die größte Range hat, allerdings macht Hallbert dies durch ein sehr feines Gespür für den emotionalen Ausdruck auf „House & Trance“ wieder wett. Und welches Genre ist das jetzt? Keine Ahnung, aber ist eigentlich ja auch egal.
Wertung: (8,5 / 10)