Da ist sie wieder, die Diskrepanz zwischen Erwartung und Auskommen. Bei der Netflix-Produktion „Blood & Gold“ ist sie getrieben vom Marketing. So suggeriert der Trailer eine Art deutsche „Inglourious Basterds“-Replik, bei der es vorrangig darum geht, Nazis auszumerzen. Gestützt wird die Implikation durch Regisseur Peter Thorwarth, der seit dem Komödien-Klassiker „Bang Boom Bang“ (1999) als Ruhrpott-Antwort auf Quentin Tarantino gehandelt wird. Doch sein Abstecher ans Ende des Zweiten Weltkriegs erweist sich ungeachtet der eingebrachten Pulp- und Western-Anflüge als überraschend vielschichtig und verhandelt mit erzählerischem Geschick verschiedene Aspekte.
Damit wird vor allem die Frage beiseite gewischt, ob Nazi-Deutschland zu Unterhaltungszwecken übersteigert dargestellt werden darf. Denn die zeitweise Überhöhung bezieht sich allein auf die Figuren (sowie mitunter die Action) und nicht auf den zeitgeschichtlichen Rahmen. Dabei hilft die Reduktion des Handlungsorts, der sich auf die kleine Gemeinde Sonnenberg im Osten des Reichs konzentriert. In dessen Umland wird zum Auftakt der fahnenflüchtige Kriegsheld Heinrich (Robert Maaser, „1917“) vom SS-Zug des entstellten Obersturmbannführers von Starnfeld (Alexander Scheer, „Sonnenallee“) eingefangen und an einem Baum aufgeknüpft zurückgelassen.
Die Desertion des kampfesmüden Landsers resultiert aus dem Tod von Frau und Sohn, die Tochter Lottchen im fernen Hagen allein hinterlässt. Die Aussicht, sie je wiederzusehen, steigt, als ihn Bäuerin Elsa (Marie Hacke, „Outlander“) rettet und auf den Hof der Familie bringt, wo sie ihren mit Down-Syndrom lebenden Bruder Paule (Simon Rupp, „Weil wir Champions sind“) vor dem Zugriff des Hitler-Regimes versteckt. Allerdings dauert es nicht lange, ehe von Starnbergs Adjutant, der brutale Oberscharführer Dörfler (Florian Schmidtke, „Asphaltgorillas“), die Umgebung nach Vorräten durchsucht. Denn von Starnberg ist in der Provinz auf der Suche nach einem jüdischen Goldschatz und soll diesen auf Führer-Geheiß finden, bevor die anrückenden Alliierten die Region einnehmen.
Die simple Grundkonstellation der Geschichte erhält durch ein Figurengeflecht Komplexität, das neben den offenkundigen Gegenparteien auch die Einwohnerschaft Sonnenbergs (darunter „Bang Boom Bang“-Veteran Christian Kahrmann) umschließt. Dabei nehmen neben Bürgermeister/Dorfwirt Schlick (Stephan Grossmann, „Er ist wieder da“) die resolute Sonja (Jördis Triebel, „Babylon Berlin“) und der Dorfpfarrer (Jochen Nickel, „Stalingrad“) relevante Positionen ein. Und die waffenfähige Irmgard (Petra Zieser, „Die fetten Jahre sind vorbei“), deren Eingreifen zum Showdown der zunehmenden Versehrtheit Heinrichs geschuldet bleibt. Gerade darin liegt eine willkommene Abkehr bewährter Hollywood-Mechanismen, erweist sich der kampferprobte Soldat doch keineswegs als unkaputtbare Rambo-Kopie.
Die wuchtig inszenierte Action bleibt dosiert eingesetzt, so dass Zeit für die Entfaltung der Charaktere bleibt. Längen stellen sich bei „Blood & Gold“ darüber aber keine ein, da die Erzählung im konfliktreichen Hin und Her ausreichend Dynamik – und grimmige Grundatmosphäre – entwickelt. Das Politische wird in der Hauptsache durch das klassische Gut-Böse-Schema skizziert. Allerdings geizt Autor Stefan Barth („Motown“) zwischen den (Dialog-)Zeilen nicht mit kritischen Tönen. In Summe bleibt eine durchaus mutige Genre-Melange Made in Germany, die internationales Format beweist und nicht allein beim finalen „Stoßtrupp Gold“-Einschub ironische Erdung offenbart. Ergo stimmt die Diskrepanz zwischen Erwartung und Auskommen diesmal überaus positiv.
Wertung: (7 / 10)