Eine Fortsetzung zur Comic-Verfilmung „Extraction“ wurde aufgrund der nachgeschobenen Finalszene des Erstlings möglich. Durch sie sicherte Netflix den Fortbestand der vielbeachteten Eigenproduktion, die nach positiven Testvorführungen konzeptionell gleich zum eigenen Franchise befördert wurde. Die erzählerischen Weichen dieser Entwicklung stellt der erste Nachfolger, in dem sich der schwer lädierte Söldner Tyler Rake („Thor“-Darsteller Chris Hemsworth) aber zunächst in Leben und körperliche Belastbarkeit zurückkämpfen muss. Bergung, Koma und Reha werden von seiner ihm zugeneigten Auftraggeberin Nik (Golshifteh Farahani, „Rosewater“) begleitet, die ihm mit Buder Yaz (Adam Bessa, „Mosul“) zudem eine abgeschiedene Hütte in Österreich spendiert.
Dort kommt Tyler allmählich zu Kräften, muss den geplanten Ruhestand jedoch aufschieben, als ihm der undurchsichtige Alcott (Hemsworth‘ „Thor“-Partner Idris Elba) ein Auftragsangebot unterbreitet: Die Ein-Mann-Armee soll Ketevan (Tinatin Dalakishvili, „Rebellion der Magier“), Frau des georgischen Gangsterbosses Davit Radiani (Tornike Bziava, „The President“), samt ihrer beiden Kinder außer Landes schaffen. Brisanz erhält die Mission durch familiäre Bande: Ketevan ist die Schwester von Tylers Ex-Gemahlin Mia (Olga Kurylenko, „James Bond: Ein Quantum Trost“), die ihn nach dem Tod des gemeinsamen Sohnes verließ. Mehr noch leisten die drei Zielpersonen Davit im Gefängnis erzwungene Gesellschaft. Aber wo ein Tyler ist, da ist auch ein Weg. Ein bleihaltiger, versteht sich.
Entsprechend zünftig lässt es der erneut mit der Regie betraute Stunt-Spezialist Sam Hargrave (wirkte bei diversen Marvel-Produktionen mit) krachen. Dabei erzielt der ausgiebige Waffen- und Körpereinsatz seine Wirkung abermals aus der im „John Wick“-Stil servierten Schnörkellosigkeit der Inszenierung. Diese Ruppigkeit mag mittlerweile als bewährtes Mittel durchgehen, doch musste bereits dem ersten „Tyler Rake“ attestiert werden, unter Ausschluss eines übergeordneten Realitätsanspruchs einzig bekannte Schemata zu interpretieren – überaus gekonnt, wohlgemerkt. Von dieser grundlegenden Ausrichtung rückt auch das Sequel nicht ab, das bereits bei der Rettungsmission in Georgien sämtliche Register zieht. Als Knastkulisse diente das bereits in „Mission: Impossible – Phantom Protokoll“ (2011) gezeigte Gefängnis, dessen Innenhof während einer Insassenrevolte als Schlachtfeld dient.
Um die Wirkweise zu erhöhen, werden bei der anschließenden Flucht per Zug einzig versteckt platzierte Schnitte gesetzt, so dass der „One Shot“-Eindruck das spektakuläre Erscheinungsbild prägt. Ruhe- und Dialogphasen bleiben rar gesät. Dafür sorgt in der Folge Ketevans Sohn Sandro (Andro Japaridze), der von der Zuflucht in Wiens Donau City Onkel Zurab (Tornike Gogrichiani, „Artificial Breathing“), Davits älteren und um jeden Preis auf Vergeltung sinnenden Bruder, kontaktiert. Der taucht bald mit einem schwer bewaffneten Trupp loyaler Gefolgsleute (darunter Daniel Bernhardt, „Atomic Blonde“) auf und verwandelt Österreichs Kapitale in ein Kriegsgebiet. Die Schlacht im Hochhaus weckt Erinnerungen an einschlägige Konsolen-Shooter, spielt seine Reize ungeachtet zarter Ermüdungstendenzen aber souverän aus.
Der Darstellerriege muss angerechnet werden, dass die dosierten emotionalen Momente überzeugend ausgekostet werden. Das sorgte bereits im Vorgänger für plastische Figuren, was neben der Helden- einmal mehr die Schurkenseite einbezieht. So gelingt es, die Motive des fanatisch getriebenen Zurab ungeachtet jeder moralischen Verwerflichkeit mit einer gewissen Nachvollziehbarkeit zu unterfüttern. Männer wie er haben schlicht keine Wahl, nur einen Kodex. Zumindest dahingehend ähneln sich er und Tyler. Vor der finalen Türöffnung gen Kontexterweiterung (am Drehbuch schrieb wieder Marvel-Regisseur Joe Russo mit) steht naturgemäß die bereinigende Konfrontation zwischen den Alpha-Männern, deren Vorlauf Tyler in markiger Manier allein bestreitet. An die Intensität des Vorgängers (oder die Georgien-Episode) reicht der Showdown nicht heran. Ein sehenswertes Feuerwerk für die Action-Klientel ist dieser Aufguss aber ohne Frage.
Wertung: (6,5 / 10)