Eight Hundred Heroes – Die längste Brücke (TW 1975)

Die Macht des Mediums Film ist immer dann am stärksten begreifbar, wenn der Unterhaltungswert durch propagandistische Beschwörungsformeln unterminiert wird. Ein exemplarisches Beispiel ist der taiwanesische Kriegsfilm „Die längste Brücke“, auch bekannt unter seinem internationalen Alternativtitel „Eight Hundred Heroes“. Der historisch bedeutende Belagerungskampf um das Sihang-Lagerhaus in Shanghai ist eng mit dem chinesischen Nationalbewusstsein verwoben. Regisseur Ting Shan-Hsi („Das Ende eines Kaiserreichs“) inszenierte das Schlachtgetümmel in den mittleren 70er Jahren als überhöhten Nährboden für Heroismus und Vaterlandstreue. Kein Wunder also, dass Chinas Verteidigungsministerium die Filmproduktion ungeachtet des schwierigen politischen Verhältnisses zwischen Volksrepublik und Inselstaat unterstützte.

Zur Einstimmung erfolgt ein historischer Abriss der japanischen Invasion von 1937 anhand einer Karte Chinas. Um eine geschichtlich akkurate Rekonstruktion geht es in der Folge jedoch nicht. Mehr schon um eine Vielzahl markiger Actionszenen und eine verklärende Darstellung von Schlüsselpersonen und -ereignissen. So folgt gleich zu Beginn die für damalige Verhältnisse mit beachtlichem Aufwand inszenierte Bombardierung Shanghais durch japanische Kampfflieger. Die zivilen Verluste sind hoch, wenn Komparsen effektvoll aus Trümmern stürzen oder bei Explosionen in Gruppenstärke zum Luftsprung ausholen. Dabei stürzen Menschen in einen Fluss, was die junge Yang Huimin (der spätere Kinostar Brigitte Lin, „Chungking Express“) dazu verleitet, todesmutig ins Wasser zu springen, um Leben zu retten.

Politische Stimmungsmache statt Realismus

Das Denkmal der 1992 verstorbenen Volksheldin wird filmisch unmittelbar errichtet. Die echte Yang Huimin soll ihre Beschreibung bereits in der ersten Verfilmung von 1938 als übertrieben zusammengefasst haben. Wie sie Lins Verkörperung ihrer selbst beurteilte, ist nicht überliefert. Als Pfadfinderin betrachtet es die 22-jährige als ihre Pflicht, zu helfen; zunächst in einem Militär-Lazarett und schließlich bei der Betreuung von Flüchtlingen in der britisch-amerikanischen Enklave Shanghais. Bevor der Kampf der „800 Helden“ ins Zentrum rückt, erfolgt jedoch vorgelagert der von Offizier Xie Jinyuan (Ko Chun-Hsiung, „Miracles“) angeführte Versuch, den feindlichen Vormarsch durch eine Guerilla-Attacke aufzuhalten. Dazu infiltrieren Xie und Getreue – darunter Carter Wong („Die Rückkehr der 18 Bronze-Kämpfer“) – die japanische Konzession in Hongkou.

Zur Tarnung hat Xie auch Frau (Hsu Feng, „Ein Hauch von Zen“) und Kinder nach Shanghai gebracht. Als die Lage eskaliert, organisiert er ihre Flucht, die sie ebenfalls in die europäische Konzession verschlägt. Fengs Figur ist vorrangig für den Druck auf die Tränendrüse zuständig. Wiederholt versucht sie, den pflichtversessenen Gemahl davon zu überzeugen, neben dem Dienst an der Waffe auch an die Familie zu denken. Doch für Xie, dem ab Hälfe zwei die Verteidigung des Sihang-Lagerhauses obliegt, geht die Aufopferung für die Heimat über alles. Wie sehr diese Hochstilisierung zum propagandistischen Poster-Boy an der Realität vorbeischießt, belegt das Ende: Nachdem sich die Überlebenden Soldaten in die Enklave retten konnten, marschieren Xie und Kameraden so aufrecht wie moralisch gestärkt der nächsten Schlacht entgegen. In Wahrheit wurden die verbliebenen Truppen von britischen Soldaten inhaftiert, um den Einmarsch japanischer Truppen zu verhindern.    

Kinoplakat von „Eight Hundred Heroes“

In Pathos geschwenktes Actiongewitter  

Bis es soweit ist, gilt es zunächst, den Rückzug der chinesischen Truppen zu decken. Mit kaum 500 Soldaten (die Nennung der 800 diente als Falschinformation für den Feind) stellt sich Xie der japanischen Übermacht entgegen. Das Lagerhaus und die Konzession trennt lediglich der Suzhou-Fluss, so dass die viertägigen Kampfhandlungen im Herbst 1937 von der anderen Uferseite aus bezeugt werden können. Der Vorteil: Um vor der internationalen Staatengemeinschaft nicht in Ungnade zu fallen, verzichten die Japaner auf den Einsatz schwerer Artillerie. Mehr noch formiert sich in der Enklave Unterstützung, die den eingeschlossenen Soldaten Vorräte und Ausrüstung beschert. Eine besondere Bedeutung kommt dabei Yang Huimin zu: Sie überbringt Xie eine chinesische (heute taiwanesische) Flagge, die auf dem Dach des umzingelten Gebäudes als moralischer Booster gehisst wird.

Der in den Gefechtseinblicken aufgezeigte Heroismus wird durch aufmunternd pathetische Musik (einschließlich eingespieltem Heldengesang) genährt. Im dramaturgischen Gesamtnarrativ bleibt der Film damit merklich ungelenk. Wenn sich Xie mit Schwert und Pistole durch Reihen gegnerischer Soldaten metzgert, verkommt der reale Hintergrund zur hurra-patriotischen Stimmungsmache. Krieg ist hier nicht die Hölle, sondern pflichtgetriebenes Männerabenteuer. Nur bedient diese weitgehend reißerische Nacherzählung allein Motive völkischer Gefühlsduselei. Die Darstellung der Japaner bleibt diesem Duktus angemessen. Aber das war im chinesischen Kino der 1970er wahrlich keine Seltenheit (siehe etwa den Bruce-Lee-Klassiker „Fist of Fury“, 1972). Am Ende kommt auch wieder die Landkarte zum Einsatz. Sie kündet vom Sieg der Chinesen im Jahre 1945. Dass diesem der Pazifik-Krieg sowie zwei Atombomben-Abwürfe der US-Streitkräfte vorausgingen, wird wohlweislich übergangen.

Kinoplakat der deutschen Leinwandfassung „Die längste Brücke“

Unterschiede der internationalen Fassungen

Die Originalfassung von „Eight Hundred Heroes“ weist eine Spielzeit von rund 114 Minuten auf. Außerhalb Asiens ist diese vorangehendem Text zugrundeliegende Ursprungsversion kaum verbreitet. Die deutsche Kinofassung dauert knapp 98 Minuten und weist neben diversen Handlungskürzungen und veränderten Schnittfolgen die Einbindung zusätzlicher Schlachtszenen auf. Mehr noch wird über einleitende Texttafeln ein „heimischer“ Bezug hergestellt, indem auf die Ausbildung chinesischer Truppen durch deutsche Soldaten verwiesen wird. Der überflüssige Brückenschlag mag als Einordnung dafür dienlich erscheinen, dass Xie und Kameraden vielfach deutsche Militärausrüstung einsetzen, einen tieferen Sinn verfolgt er jedoch nicht.

Die gestrafften Sequenzen gehen vorrangig auf Kosten von Brigitte Lin und Hsu Feng. So werden die wiederholten Versuche von Yang Huimins Vater, sie zur Rückkehr in die ländliche Heimat zu verleiten, in der Export-Fassung durch eine einzige mit beiden Elternteilen ersetzt. Im Falle Fengs wurde gar ein beträchtlicher Teil ihres Auftritts entfernt, mutmaßlich um mehr Raum für die teils harten Actionsequenzen zu schaffen. Ob es sich bei den exklusiven Szenen der internationalen Kinofassung gänzlich um zusätzliches Material der originären Dreharbeiten handelt, ist abschließend nicht zu klären. Neben einem Mehr an kriegerischem Brimborium bietet diese aber zumindest eine deutliche Reduktion des Propaganda-Subtexts.  

Wertung: 4.5 out of 10 stars (4,5 / 10)  

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