Neben David Lynch („Lost Highway“, „Wild at Heart“) gehört David Cronenberg („Die Fliege“, „Crash“) wohl zu der Sorte Filmemacher, die das Kontroverse nicht scheuen und ein von den Medien geschürter Skandal mit fast jedem neuen Film die Schlagzeilen bestimmt. Als Workaholic wird Cronenberg sicherlich nicht in die Geschichtsbücher eingehen, dafür aber haben seine Filme einen nachhaltigen Effekt, wie es sonst für Hollywood nicht immer üblich ist. Mit „A History of Violence“ findet Cronenbergs jüngstes Werk nun den Weg in die Videotheken, bei dem der Meister weniger verstörend zu Werke geht als manches Mal in seiner Vergangenheit.
Tom Stall (Viggo Mortensen) lebt mit seiner Frau Edie (Maria Bello) und den beiden Kindern Jack (Ashton Holmes) und Sarah (Heidi Hayes) in einer Kleinstadt im mittleren Westen der USA. Tom ist Inhaber eines kleinen Diners und führt mitsamt seiner Familie ein ruhiges wie beschauliches Leben. Das Leben aller nimmt aber plötzlich ein jähes Ende, nachdem zwei Gangster in der Stadt auf Durchreise sind, in Toms Laden landen und ihn sowie seine Gäste und Angestellten bedrohen. Dieser jedoch entfacht wie aus dem Nichts ungeahnte Kräfte und tötet beide Widersacher auf brutale Art und Weise. Tom bemüht sich den Vorfall nicht zu hoch aufzuhängen, allerdings steigt er zwangsläufig zum Helden der Kleinstadt auf.
Der aufgewirbelte Staub und das mediale Interesse hat sich noch nicht ganz gelegt, da bekommt Tom direkt den nächsten Besuch. Der merkwürdige Carl Fogarty (Ed Harris) taucht in seinem Laden auf und behauptet, Tom und seine kriminelle Vergangenheit gut zu kennen. Sein wirklicher Name sei Joey Cusack und er komme aus Philadelphia. Seinen Ausführungen schenkt Tom keine Bedeutung, doch nach und nach verschärft sich die Situation und vor allem Edie kommen Zweifel an dem Mann auf, den sie eigentlich kennen sollte.
Mit „A History of Violence“ kehrt der mittlerweile über sechzig Jahre alte David Cronenberg seinem Hang zur Surrealität ein wenig den Rücken. Seine Charaktere sind hier keine deformierten Geschöpfe, es finden keine exzessiven äußeren Kämpfe statt, diese existieren vielmehr innerhalb des Menschen. Eine Kleinbürgerfamilie gerät mehr durch Zufall in eine nicht mehr enden wollende Spirale aus Gewalt, der Cronenberg typische Sex gehört als verbindendes Stilmittel jedoch beinahe selbstverständlich dazu.
Cronenberg ist und war nie ein großer Erzähler und auch mit fortschreitendem Alter verlässt er sich auf das Wesentliche. Viel Zeit verliert er nicht und nach einigen Minuten der Einleitung der Familie Stall beginnt er schnell mit dem realen Alptraum, der über die bis dato glückliche Familie hereinbricht. So erreicht der Film dann schnell seinen ersten Höhepunkt in der Tötung der beiden Gangster und nach einer Stunde könnte durch das Ableben weiterer Protagonisten der Film im Grunde zu Ende sein. Doch Cronenberg geht weiter, zelebriert die zerrissene Familienidylle als Liebesakt und bringt das Sterben gen Ende auf einen neuen Höchststand. Dies wirkt auf den normalen Betrachter ungewöhnlich, doch derart kompromisslose Kunst ist man eben (fast) nur von einem Cronenberg gewohnt.
Die Darsteller überzeugen, allen voran Viggo Mortensen („28 Tage“, „Hidalgo“), der den Aragorn-Hype nicht ausgenutzt hat und seinem Credo treu blieb. Weniger drehen ist manchmal einfach mehr. Seine ruhige Art entlädt sich hier in blitzschnellen Gewaltakten, die sich ansatzweise sogar gegen seine Frau richten. Maria Bello („The Cooler“, „Assault on Precinct 13“) liefert eine ebenso souveräne Leistung ab, bei der sie von Cronenberg nicht geschont wird und neben körperlichen Erniedrigungen in einer Szene sogar komplett nackt zu sehen ist. Ein Umstand, den sicherlich nicht jede Hollywood-Diva mitgemacht hätte. Ed Harris („The Rock“, „Beautiful Mind“) agiert wie üblich auf hohem Niveau, für mich einer der besten Darsteller überhaupt und leider irgendwie von der breiten Masse immer noch nicht ganz an- oder wahrgenommen. William Hurt („Do Not Disturb“, „The Village“) konnte für seinen Auftritt von vielleicht fünf Minuten eine Oscar-Nominierung einheimsen, angesichts seiner Darstellung verdient, jedoch darf man hin und wieder bei derartig kleinen Rollen schon nach Sinn und Zweck dieser Oscar-Kategorie fragen.
„A History of Violence“ ist trotz einer gewissen Beliebigkeit – für Cronenberg-Verhältnisse wohlgemerkt – dennoch ein immerzu konsequent umgesetzter Film. Cronenberg ist somit weniger von seiner Normallinie abgewichen, als es den Anschein hat. Die innere Zerrissenheit, das plötzliche Ausufern von Gewalt, all dies ist seit jeher Bestandteil von Cronenbergs Filmkunst. Man könnte jetzt das Haar in der Suppe suchen und einige Ungereimtheiten aufführen, doch wenn ein Film an einer entscheidenden Szene einfach ausblendet und der Abspann beginnt, dann hat man es hier doch mit etwas Großem zu tun.
Wertung: (8 / 10)