Asiatische Horror-Thriller wie „Ring“ oder „Dark Water“ haben das westliche Kino in den vergangenen Jahren dezent beeinflusst, Hollywood orientiert sich bekanntlich ja nicht nur an der fernöstlichen Filmkunst, nein, es werden einfach Remakes gedreht. Die Welle ähnlich gestrickter Filme nimmt nicht ab und monatlich erscheint neues Material, so zuletzt der gelungene „A Tale of Two Sisters“. Auch von diesem wird sicherlich ein Remake gedreht werden (die Rechte liegen bei Dreamworks), insofern schnell das Original schauen, bevor der uninspirierte Hollywood-Abklatsch die Leinwände betritt.
Nach einiger Zeit der Abstinenz kehren die beiden Schwestern Soo-Mi (Im Soo-Jung) und Soo-Yeon (Moon Geun-Young) wieder nach Hause zurück. Von ihrem Vater (Kim Kab-Su) begleitet, sollen sie ein wenig außerhalb der Großstadt in einem Haus mit ihrer Stiefmutter (Yeom Jeong-Ah) leben, die sich der Zuneigung der beiden Geschwister nicht sicher sein kann. Während die ruhige Soo-Yeon täglich den Schikanen ihrer Stiefmutter ausgesetzt ist und ihr Vater sich in die Geschehnisse nicht einmischt, widersetzt sich Soo-Mi und trägt Konflikte offen aus. Die Situation spitzt sich zu, als sich seltsame Vorkommnisse wiederholen und Alpträume die Kinder heimsuchen. Der Grund sind jedoch nicht die neu aufkeimenden Probleme, sondern vielmehr die Zeit davor.
Als typischer Horror-Thriller kann „A Tale of Two Sisters“ nicht ganz bezeichnet werden. Denn auch wenn die klassischen Elemente zwar vorhanden sind, so gibt es doch einige markante Unterschiede. Auf der einen Seite gibt es auch hier geisterhafte Gestalten und knarrende Türen. Doch zielt der Film nicht auf genau solche Standards ab, vielmehr steht zu Beginn das Familiendrama im Vordergrund. Dieses erschließt sich dem Zuschauer nur langsam und auch wenn versierte Filmfreunde das Finale nicht ganz aus den Schuhen kippen lassen sollte, so hält der Film ein stetig ansteigendes Spannungsniveau. Wirkliche Schockmomente sind eher selten, doch wenn es solche einmal gibt, dann darf ordentlich gezuckt werden. In diesen Situationen ist „A Tale of Two Sisters“ den großen Filmen des Genres sicherlich ebenbürtig.
Mit Oberflächigkeiten gibt sich der Film nicht ab, die Charaktere haben Tiefe, die außerhalb der Großstadt liegende Umgebung ausreichend Atmosphäre. Das Ambiente stimmt und auch die guten Darstellerleistungen tun ihr übriges. Yeom Jeong-Ah („Tell Me Something“, „Three…Extremes“) liefert eine gute Darstellung als doppelbödige Stiefmutter ab, bei der bemühte Zuneigung und Abweisung gleichermaßen dominieren. Kim Kab-Su („Killing the Target“) spielt den äußerst ruhigen Vater der beiden Töchter, bei dem der Zuschauer nie genau weiß, woran er ist und was genau seine Figur fühlt und denkt. Moon Geun-Young als auch Im Soo-Jung überzeugen als ungleiches Geschwisterpaar, wobei vor allem zweitere durch ihr emotionaleres Auftreten auffällt.
Im letzten Drittel nimmt der Film dann ein wenig Abstand von den dramatischen Zügen der Familienverhältnisse und entpuppt sich als waschechter Horror-Thriller mit einigen geschickten Wendungen. Wie so häufig ist nicht alles beim ersten Anschauen klar, auch hier lohnt der zweite Blick, um Andeutungen und Handlungen ins Gesamtgefüge einordnen zu können. „A Tale of Two Sisters“ ist überaus anspruchsvolle Horror-Mär, die jedem Fan von Filmen wie „Ring“, „Dark Water“ oder auch „The Sixth Sense“ ans Herz gelegt werden sollte.
Wertung: (8 / 10)