Captain America: Civil War (USA 2016)

„I retire for what, like five minutes, and it all goes to shit.“ – Hawkeye

Normalerweise funktionieren Superheldengeschichten nach einem simplen Schema: Der aufrechte Streiter für das Gute bekämpft den schurkischen Bösen und vereitelt dessen Weltunterwerfungspläne. Ende. Dass ausgerechnet Captain America, der per äußerer Erscheinung eigentlich Inbegriff des von Pathos umwehten Heldenklischees sein müsste, gegen diese Bürde ansteht, mag verwundern. Oder eben auch nicht. Denn bereits der zweite Solo-Auftritt des Marvel-Heros offenbarte politischen Subtext, den man gängiger Blockbuster-Unterhaltung für gewöhnlich kaum abverlangen kann.

Aber der unkaputtbare Schildträger schien, mehr noch als seine Avengers-Kollegen, prädestiniert dafür. Geadelt wurde das in Richtung Polit-Thriller tendierende Sequel von der Mitwirkung des für sein Engagement bekannten Robert Redford. In „Civil War“, dem dritten ihm per Titel allein zugewiesenen Auftritt, bekommt es der wieder von Chris Evans verkörperte Captain America mit Daniel Brühl („Rush – Alles für den Sieg“) zu tun – und dem Zorn der internationalen Staatengemeinschaft. Denn die scheint – ähnlich „Batman vs Superman“ – nicht länger gewillt, die bei den autarken Rettungseinsätzen der Avengers zwangsläufig auftretenden zivilen Verluste hinnehmen zu wollen. Was folgt ist ein von US-Außenminister Ross (William Hurt, „Goliath“) vorgelegter Kontrakt, der die übermenschliche Eingreiftruppe dem Befehl der UN unterstellen soll.

Während Avengers-Kollege Iron Man (Robert Downey Jr.) für die Unterzeichnung des Abkommens plädiert, hegt Captain America Zweifel. Die Rettergemeinschaft als politischer Spielball der Mächtigen? Nicht mit ihm. Erst recht nicht, als sein zur russischen Kampfmaschine Winter Soldier umfunktionierter Jugendfreund Bucky (Sebastian Stan) verdächtigt wird, ein afrikanisches Staatsoberhaupt liquidiert zu haben – dessen Sohn (Chadwick Boseman, „Gods of Egypt“) als Black Panther in der Folge nach Vergeltung strebt. Der Plot ist in Teilen düster gefärbt. Damit allein lassen sich die Massen aber nicht ins Kino locken. Also braucht es konventionelle Action, die den Captain gleich zum Auftakt den abtrünnigen alten Gefährten Rumlow (Frank Grillo) vermöbeln lässt. Der Einsatz von Scarlett Witch (Elizabeth Olsen) bringt aber wieder Kollateralschäden mit sich. Also wird sie auf Geheiß von Iron Man unter Hausarrest gestellt.

Die Gräben der Zwietracht vertiefen sich, als Captain America den Versuch eines Sonderkommandos unterbindet, Bucky festzunehmen. In der Folge überwirft er sich mit Iron Man und schart Getreue Superhelden um sich, die sich der staatlichen Kontrollinstanz entziehen wollen. So stehen sich bald Gefährten wie Hawkeye (Jeremy Renner), Falcon (Anthony Mackie) und Ant-Man (Paul Rudd) auf der einen und War Machine (Don Cheadle), Black Widow (Scarlett Johannson) sowie Vision (Paul Bettany) auf der anderen Seite gegenüber. Dass Iron Man obendrein den jungen Spider-Man (Tom Holland, „Im Herzen der See“) für seine Sache gewinnt und mit dessen Tante May (Marisa Tomei, „The Big Short“) flirtet, ist Ausdruck der zunehmend komplexen und kalkuliert werbewirksam vorwärtsgetriebenen Verflechtung der verschiedenen (etablierten und jüngeren) Marvel-Franchises.

Wie verschwenderisch das Regisseurs-Duo Anthony und Joe Russo („Avengers: Infinity War“) mit dem Starpotenzial umgeht, zeigt auch der im Grunde nutzlose Auftritt von Martin Freeman („Sherlock“). Ansonsten genügt der politische Hintersinn für einen perfiden Plan von Brühls rachsüchtigem Ex-Soldaten Helmut Zemo. Der will nicht etwa die Welt unterwerfen, sondern den Konflikt zwischen den Superhelden befeuern und auf diese Weise Chaos stiften. Um das zu erreichen, hält er einen Trumpf in der Hand, der auf das Schicksal von Iron Mans Eltern (Hope Davis und John Slattery) verweist. Dass der „Civil War“ der Heldenfiguren natürlich keine ernsthaften Opfer fordert, sollte auf der Hand liegen. Die darum drapierten Actioneinlagen sind routiniert umgesetzt, können eine gewisse Beliebigkeit aber kaum verbergen. So läuft Marvel trotz durchdachter Geschichten zunehmend Gefahr, beim Publikum durch die immense Produktionsschlagzahl und die bedingungslose Verzahnung von Plots und Figuren ein nachhaltiges Übersättigungsgefühl auszulösen.

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

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