Erstmals gastierte die in Übersee bereits etablierte The Revival Tour in Europa und das diese ein voller Erfolg werden würde, ließen bereits die Vorverkaufszahlen vermuten. Denn nicht nur in Köln wurde der Tour-Tross in eine größere Location verlegt. Das spricht zum einen für die Tour, jedoch bedeutete dies leider einen Umzug vom gemütlichen Gloria in die Live Music Hall. Und auch diese war knüppelvoll, so dass sich neben einem feuchten Dunst aus Schweiß und Qualm auch gelegentliche Darmgase unters Volk mischten. Aber auch so etwas kennt man……
Um Punkt 20h betraten die sechs Protagonisten des Abends die Bühne. Neben den Sängern Chuck Ragan, Dave Hause, Dan Andriano und Brian Fallon waren es noch Jon Gaunt an der Fidel sowie Joe Ginsberg am Kontrabass. Dieser lenkte nicht nur wegen seines Schnäuzers – die Daltons von Lucky Luke standen wohl Pate – die Blicke immer wieder auf sich. Los ging es erst einmal im Kollektiv mit „Nomad By Fate“. Chuck Ragan am Mikro, seine Mitstreiter neben ihm aufgereiht, vier Gitarren und ein superber Sound. Aber wenn der Rockpalast schon das gesamte Konzert mitschneidet, lässt man sich natürlich nicht Lumpen. Den ersten großen Gänsehautmoment gab es nach wenigen Minuten, als Brian Fallon „Great Expectations“ anstimmte. Es sollten bei ihm später noch ein paar mehr folgen.
Doch erst einmal war Dave Hause an der Reihe, der heute zum heimlichen Oberhaupt aller anwesenden Sympathieträger fungierte. Statt einer Bierflasche hatte er gleich eine ganze Flasche Rotwein dabei, ein dazu passendes Glas schenkte er sich und setzte gleich die ganze Pulle an den Hals. Seine Stimme konnte am ehesten mit der von Chuck Ragan mithalten und man nahm ihm die schiere Freude an dieser Tour einfach jederzeit ab. Sympathische Ansagen, ein bisschen Geplänkel mit dem Publikum und eine feine Auswahl rundeten sein etwa 40 Minuten dauerndes „Solo-Programm“ ab. Denn so richtig Solo ist bei der Revivial Tour im Grunde nichts, denn dauernd kommt irgendwer auf die Bühne und steigt mit ein. So auch Chuck Ragan, als es darum ging den HOT WATER MUSIC Klassiker „Trusty Chords“ zu performen, nachdem Hause sein (berechtigtes) Loblied auf den Gainesville-Vierer beendet hatte. Daneben spielte Hause unter anderem „Resolutions“ oder „Time Will Tell“ seines Solo-Albums, weiterhin steuerte er auch ein paar THE LOVED ONES Songs („Jane“, „Pretty Good Year“) bei. Mit der Maximalausbeute von zwei erhobenen Daumen ging es für ihn und seinen Rotwein erst mal in den Backstage Bereich.
Dann der Meister persönlich. Mit Gaunt und Ginsberg im Schlepptau. Mit „Is What You Will“ und „Let It Rain“ lässt er sein neues Album erst mal links liegen und überzeugt einfach nur – wie immer – mit seiner Stimme. Ragan fährt außer Konkurrenz. Das merkt man vor allem dann, wenn er seine Mitstreiter begleitet. Er muss sich zügeln, damit sein Organ nicht alles andere übertüncht. „Nothing Left To Prove“ widmet er mit einem emotionalen Liebesbekenntnis seiner Frau Jill, während „For Broken Ears“ und „The Boat“ im Kollektiv wieder inbrünstig mitgesungen werden. Das Highlight kommt jedoch erst, als Dave Hause die Bühne betritt und beide „Meet You In The Middle“ intonieren. Mehr Herz und Leidenschaft geht kaum.
Mit Dan Andriano folgt das vielleicht „schwächste“ Glied. Sein Organ wirkt vergleichsweise verhalten, wobei seine Stimme natürlich auch einfach eine komplett andere ist. Er spielt sein Programm nahezu allein, später gesellt sich wieder mal Dave Hause zu ihm auf die Bühne. Es gibt etliche Songs seines Solo-Debüts zu hören. Großartige Songs wie „Hollow Sounds“ und vor allem „Hurricane Season“ gehen jedoch ein wenig unter. Natürlich gibt es auch Songs des ALKALINE TRIO zu hören. „Emma“ und „Crawl“ berühren, Punkt. Doch irgendwie wartet die Menge wohl auf Brian Fallon.
Dieser offenbart während seines Auftrittes ungeahnte Qualitäten als Entertainer. Fallon redet mehr als während einer gesamten THE GASLIGHT ANTHEM Tour. Er erzählt von seiner Frau, scherzt ein wenig über den heimischen Alltag und über die Ängste seines Hundes bei Gewitter. Fallon wirkt irgendwie befreit, sehr locker und auch ihm merkt man die Zufriedenheit an. Die ersten Songs klingen dagegen noch etwas verhalten. Erst als er das Material seines Brötchengebers hervorholt, kommen die großen Emotionen zum Vorschein. Da hört zwischenzeitlich auch mal das dauernde Gelaber um einen herum auf. Überhaupt wird viel zu viel geredet am heutigen Abend. Manche wären in einer Kneipe besser aufgehoben gewesen. Bei „Old White Lincoln“ und „Blue Jeans, White T-Shirts“ liegen Männer in den Armen ihrer Frauen/Freundinnen und nahezu jeder lauscht dem Karohemd-Träger da oben auf der Bühne. Nach zögerlichem Beginn ein großartiges Finish!
Für das Finale kommt die gesamte Bagage wieder zusammen. „On The Bow“ gibt es von allen sechs Beteiligten A-Capella, es folgen unter anderem „The Bridge“ (Hause), „I Was A Prayer“ (Ragan) und „The 59 Sound“ (Fallon). Etwa dreieinhalb Stunden The Revivial Tour liegen im Anschluss hinter einem. Langeweile kam nie auf, dafür waren die Überraschungsmomente zu groß. Man wusste schließlich nie, was als nächstes passierte, wer plötzlich auf die Bühne kommt. Musikalisch wusste das Konzept vollends zu überzeugen. Dazu die vier sympathischen, charismatischen und dazu überaus gut gelaunten Gastgeber mit ihren Mitstreitern. Kommen wir also noch mal kurz zum Thema Erfolg. Ungeachtet der finanziellen Komponente war diese Revival Tour vor allem ein unglaubliches (Konzert-)Erlebnis, an das man sich wegen all der schönen und unerwartbaren Momente auch noch in Jahren gern zurückerinnern wird.