100 Kilo Herz – Stadt Land Flucht (2020, Bakraufarfita Records/Broken Silence)

Es wäre ein leichtes, 100 KILO HERZ in die Ecke von FEINE SAHNE FISCHFILET zu rücken: Deutsch-Punk trifft Ska trifft rockige Ausprägungen. Und dann stammen beide Bands auch noch aus dem Osten der Republik. Doch es gibt entscheidende Unterschiede. Im Gegensatz zu den Chartstürmern aus dem Rostocker Raum pflegen die (noch) weniger bekannten Leipziger Brüder im Geiste einen weniger plakativen Ton. Textlich – und auch in der gesamten musikalischen Ausdrucksweise – rücken sie streckenweise eher in die Richtung von MUFF POTTER (in früheren Jahren) oder …BUT ALIVE. Nur eben mit Trompete und Saxophon.

Die Zweitgenannten werden auf „Stadt Land Flucht“, dem zweiten Album von 100 KILO HERZ sogar explizit erwähnt; in der Party-Hymne „…Und aus den Boxen …But Alive“. Deren Ausgelassenheit ist aber nur bedingt stellvertretend für eine Platte, die in der Hauptsache von melancholischen Gedanken – und politisch eindeutiger Positionierung – getragen wird. Der in „Tresenfrist“ besungene Alkoholismus zählt zur ersten Kategorie. Ebenso „Träume“, „An Ampeln“, „Der Späti an der Klinik“ oder „Sowas wie ein Testament“ (mit weiterem Wiebusch-Verweis). Das Optimismus versprühende „Drei vor Fünf vor Zwölf“, und neben ihm u. a. „Drei Jahre ausgebrannt“ und das von PLANLOS-Frontmann Pino unterstützte „Scheren fressen“, unterstreicht hingegen die linkspolitische kritische Haltung. Und die kann aktuell gar nicht genug Stimme erhalten.

Also, um es noch einmal zu verdeutlichen: 100 KILO HERZ sind kein Nachbau von FEINE SAHNE FISCHFILET. Selbst wenn beide Combos der Hang zu Bläsern und politischer Kante vereint. Auf „Stadt Land Flucht“ findet das Sextett seinen eigenen Weg, mit unterschwelliger Gemütsschwere und packendem Melodienreichtum. Da gibt es nicht allein nix zu meckern, sondern vorrangig viel zu feiern. Eine starke Scheibe!

Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

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