Wächter der Nacht (RUS 2004)

waechter-der-nachtEin Fantasy-Film aus Osteuropa, obendrein angelegt als epische Trilogie. Wer glaubt, das russische Kino hätte seit Eisenstein und Tarkowski nichts innovatives zu bieten, der irrt sich gewaltig. Nach langer Stagnation erholt sich Russlands krisengebeutelte Filmindustrie – und präsentiert mit „Wächter der Nacht“ ein fantastisches Action-Spektakel von internationalem Format.

Darin geht der ewige Kampf Gut gegen Böse in die nächste Runde: Seit Jahrhunderten besteht ein Waffenstillstand zwischen den Mächten des Lichts und denen der Finsternis. Um den Frieden zu gewährleisten, wachen die Others über die Dark Ones – und umgekehrt. Übernatürliche Gestalten wie Vampire und Hexen stehen sich auf beiden Seiten gegenüber, lauern mit Argusaugen auf Fehler der Gegenpartei.

Im Moskau der Neuzeit steht auch Anton (Konstantin Khabensky, „The Goddess“) im Dienste der Others. Als er eines Nachts den jungen Yegor (Dmitry Martynov) beschützen soll, tötet Anton bei einer Auseinandersetzung einen oppositionellen Blutsauger. Die Organisation der Wächter der Nacht teilt ihm daraufhin Olga (Galina Tyunina, „The Stroll“) als Partnerin zu.

Gemeinsam stoßen sie auf ein Komplott der Dark Ones, die unter Führung des mächtigen Zervulon (Viktor Verzhbitsky, „Der Barbier von Sibirien“) die Balance zu ihren Gunsten kippen wollen. Im aufziehenden Krieg soll Yegor einer Prophezeiung zufolge eine besondere Rolle zukommen. Denn er ist der Auserwählte, der eine von beiden Seiten zum Sieg führen wird.

„Wächter der Nacht“ ist die Verfilmung des ersten Teils von Sergey Lukyanenkos Romanzyklus gleichen Namens. Mit einem geradezu lächerlichen Budget von 4 Millionen Euro hat Autor und Regisseur Timur Bekmambetov („The Arena”) ein modernes Märchen auf die Leinwand gebracht, dass sich im Hinblick auf Umsetzung und Tricktechnik nicht vor internationaler Konkurrenz verstecken muss.

Trotz mancher Parallele zu „Blade“ oder „Matrix“ verfügt „Wächter der Nacht“ über eine eigene Dynamik. Der komplexe Plot erweist sich als verschachtelt und wendungsreich. Entsprechend der Einleitung einer Fortsetzungsgeschichte dient dieser erste Teil als Standortbestimmung. Die Charaktere und ihre Eigenarten werden vorgestellt, ein Einblick in die Gegebenheiten der Erzählung gewährt.

Auf eine Lösung des Konflikts läuft „Wächter der Nacht“ nicht hinaus. Nach knapp zweistündiger Spielzeit und einer dramatischen Klimax entlässt Timur Bekmambetov sein Publikum in vorläufige Ungewissheit. Wirkliche Atmosphäre will dabei nicht entstehen. Genau das ist eines der größten Probleme des gesamten Films. Bereits die Einleitung gerät schleppend und bleibt hinter den Möglichkeiten des Stoffes zurück.

Die gut besetzten Figuren bieten kaum Ansatz zur Identifikation. Der Zugang zur vielschichtigen Story wird damit nicht gerade erleichtert. Die computergenerierten Spezialeffekte sind gelungen. Allerdings fehlt gerade den mit Blut angereicherten Actionszenarien eine individuelle Note. In der Hauptsache lebt der Film von seinem Exotenbonus, der Freiheit mit unbekannten Gesichtern bei abgekupferter Ästhetik zu überraschen. Das gelingt nur zum Teil.

Trotz stilistischer Finesse atmet „Wächter der Nacht“ durch namhafte amerikanische Vorbilder. Statt einer eigenen Filmsprache zu folgen, werden fast ausschließlich bekannte Elemente ins Russische übersetzt. In seinem Herstellungsland war der Film ein gewaltiger Erfolg. Dessen ungeachtet müssen die Chancen auf dem internationalen Markt erst ergriffen werden.

Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

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