Die Figur des blinden Schwertmeisters Zatoichi zählt zu den bekanntesten Charakteren der künstlerischen Schattierungen des fernöstlichen Samuraifilms. In ihrem Ursprungsland Japan genießt diese einhelligen Kultstatus. Mit „The Tale of Zatoichi“ nahm die erfolgreichste Reihe der ostasiatischen Kinohistorie 1962 ihren Anfang und ließ Hauptdarsteller Shintaro Katsu zum gefeierten Star avancieren. Bis 1989 entstanden 25 weitere Filme um den physisch beeinträchtigten Schwertkämpfer, die Ausnahmslos an der Besetzung des populären Hauptdarstellers festhielten. Entsprechend hoch stapelten sich die Erwartungen von Fans und Kritikern, als das japanische Multitalent Takeshi Kitano verlauten ließ, er werde die Direktion über eine neuerliche Verfilmung des Stoffes übernehmen und entgegen anfänglicher Bekundungen höchstselbst die Rolle des legendären Zatoichi verkörpern.
Und so folgt das neueste Kunstwerk aus der ertragreichen Esse Kitanos einem blondierten ´Beat´ Takeshi nach bewährten „Yojimbo“-Manierismen in eine abgelegene Ortschaft, in welcher der blinde Masseur und Spieler flüchtige Momente des Glücks zu finden erhofft. Doch trifft Zatoichi die Bewohner des Bergdorfes in Furcht und leidend unter den Schikanen der rücksichtslosen Ginzo-Gang an. Mit tatkräftiger Unterstützung des angeheuerten Ronin Hattori (Tadanobu Asano), der aufgrund der schweren Krankheit seiner Frau in die Dienste des skrupellosen Clanoberhauptes tritt, beseitigt Ginzo jeden, der sich seinen Machtbestrebungen in den Weg stellt. In einem Spielertreff macht Zatoichi die Bekanntschaft der als Geishas in Erscheinung tretenden Geschwister O-Sei (Daigorô Tachibana) und O-Kino (Yûko Daike), die erbarmungslose Rache für die brutale Ermordung ihrer Eltern nehmen wollen. In einer regnerischen Nacht verknüpfen sich die Schicksale der Beteiligten zu einem rigorosen Knäuel aus Gewalt und Tod.
Als nämlich Mitglieder der Ginzo-Gang versuchen, Zatoichi und den notorischen Verlierer Shinkichi (Gadarukanaru Taka) zu hintergehen, wird der kampferprobte Masseur der vorherrschenden Problematik auf gewohnt präzise Weise mit einem Schwertstreich Herr. Zeitgleich treffen O-Sei und O-Kino auf einen der Verantwortlichen am familiären Massaker, sind jedoch gezwungen, die Flucht zu ergreifen. Unter der Führung Hattoris werden zahlreiche Kämpfer ausgesandt, die Unruhestifter zu beseitigen. Doch bildet die in Zatoichis Blindenstab eingelassene Klinge lediglich eine der entscheidenden Überraschungen, die auf die gnadenlosen Häscher ihres Trägers warten. Dabei füllt Regisseur („Hana-Bi“) und Darsteller („Battle Royale“) Takeshi Kitano den populären japanischen Heldencharakter des Zatoichi auf geradezu verblüffende Weise mit neuem Leben. Mit sprödem Charme und lakonischem Humor würzt der individualistische Filmemacher seinen großartigen Kostümfilm und führt überzeugend wie künstlerisch ansprechend Elemente des traditionellen japanischen Kinos mit ästhetischen Modifikationen der Moderne zusammen.
So schafft Kitano allein durch den konsequenten Einsatz computergenerierter Blutfontänen eine artifizierte Kluft zwischen mannigfaltigen Obligatorismen des Genres und errichtet auf diesem Fundament einen Wall der Distanzierung zwischen dem betrachtenden Geiste und den Handlungsweisen der Protagonisten auf der Leinwand. Zwar mag die altbackene Geschichte auf den ersten Blick kaum Nährboden für Innovationen entbieten, doch versteht sich Kitano einmal mehr meisterlich auf die bedeutsame Integration subtiler Additive. So rücken auditive Elemente unweigerlich in den Vordergrund, werden die Klänge in den Grund fahrenden Arbeitsgerätes der bäuerlichen Bevölkerung ebenso in das Konstrukt des Soundtracks involviert, wie gleichsam das Planschen nackter Kinderfüße in schlammigen Pfützen oder das Hämmern und Hobeln der emsigen Zimmerleute. Überhaupt ist das klangliche Konstrukt den ausgeprägten Gehörgängen seiner Hauptfigur angeglichen, Randgeräusche in ihrer Lautstärke merklich intensiviert.
Vornehmlich beherrscht wird das formale Erscheinungsbildnis von Kitanos elfter Regiearbeit von einem gewohnt elegischen Bilderreigen, welcher einmal mehr den Schleier meditativer Gelassenheit mit urplötzlichen Gewaltausbrüchen zu durchdringen vermag. Doch unterscheidet sich „Zatoichi“ trotz des erhöhten Aufkommens kompromissloser Härten grundlegend von früheren Werken des begnadeten Kinovirtuosen, erscheint der Tenor doch lebensbejahender und unbefangener als etwa in der ausweglosen Depression eines „Violent Cop“. Und wohl einzig Takeshi Kitano scheint imstande, dem Publikum auf solch spitzbübischen Pfaden den nachhaltigen Eindruck zu vermitteln, seine oft bizarre und stets respektvolle Reminiszenz an eine der stilbildendsten Sagas der asiatischen Filmhistorie würde allein auf die finale Tanzeinlage zusteuern.
Zwischen blutiger Samurai-Action, Slapstick-Komödie und Musical-Revue entfaltet „Zatoichi“ eine schiere Sogwirkung und markiert ungeachtet erstmals eingeschränkter inszenatorischer Freiheiten die bislang leichtfüßigste Arbeit im Oeuvre Kitanos. Eingesponnen in einen kunstvoll verschachtelten Erzählrhythmus umkurvt der neueste Streich der ikonesken Lichtgestalt der japanischen Medienlandschaft die Stolpersteine massentauglichen Unterhaltungskinos ausnahmslos und dürfte somit nicht nur eingeschworene Freunde fernöstlicher Filmgattungen in seinen Bann ziehen.
Wertung: (9 / 10)