Jeder Nation ihr Backwood-Massaker. Auf dem Rücken stilprägender Klassiker lotet der Horror das Hinterland verschiedener Erdteile aus. Im Falle von „What the Waters Left Behind“ muss man allerdings eher von Unterland sprechen. Denn Handlungsort ist die reale, an einem Salzsee in der argentinischen Provinz Buenos Aires gelegene Stadt Epecuén, die 1985, nach starkem Regen und Dammbruch, im Wasser verschwand. Seit 2009 gibt das verheerende Nass die Ortschaft schrittweise frei – und mit ihr ein postapokalyptisches Szenario verkrusteter Ruinen und ausgedorrter Bäume.
In diesem visuell wie atmosphärisch beeindruckenden Setting führen die Regisseure Luciano und Nicolás Onetti („Abrakadabra“) Genre-gemäß (menschliche) Lämmer zur Schlachtbank. Die setzen sich aus einem Team junger Dokumentarfilmer zusammen, die in Epecuén die Geschichte der als Kind eilig evakuierten Carla (Victoria Maurette, „Vergeltung der Verdammten“) rekonstruieren. Zum Drehort gelangt die Gruppe im VW-Bus, vorbei an schier endloser Weite und einem Tierkadaver. Wehe dem, der sich nicht unverzüglich im „Texas Chainsaw Massacre“ wähnt. Beim Zwischenstopp an der Tankstelle nehmen die Parallelen nicht ab – diesmal in Richtung „The Hills Have Eyes“.
Auf dieser Grundlage kann „What the Waters Left Behind“ als Hommage verstanden werden. Oder – gemessen an den klischeehaften Figuren und den insgesamt wenig erbaulichen Dialogen – schlicht als Abklatsch. Was den Streifen, zumindest für Horror-Vielverköstiger, dennoch sehenswert macht, ist die Aufmachung. Der reale, wahrhaft gespenstische Handlungsort mit seiner hoch in den Himmel ragenden Fleischerei erzeugt eine Wirkung, die von der konventionellen Erzählung zu selten gestützt wird. Die Gefahr offenbart sich in Gestalt einer ortsansässigen Sippschaft, die mit Tierschädeln als Masken und mit Stacheldraht umwickelten Keulen auf Beute – oder besser: Nahrung – lauert.
Nun bedeutet „nach argentinischer Art“ bei der Fleischzubereitung vor allem eines: blutig. An Härte sparen die Gebrüder Onetti zwar nicht, wenn Körper gnadenlos aufgeschnitten, samt Bekleidung durch den Fleischwolf gedreht oder missbraucht werden, die Intensität artverwandter (und vorangestellt genannter) Klassiker erreicht der visuell ansprechende Nachbau allerdings kaum. Das hilft auch das schlussendliche Familienessen der besonderen Art wenig, bei dem wiederum eifrig das stilprägende Kettensägenmassaker aus Texas zitiert wird. Die Optik stimmt, der Rest ist von der Herleitung über den als Tagesretter erscheinenden Vater auf der Suche nach der vermissten Tochter bis zum nach Fortsetzung schreienden Finale so lala. Trotz starker Kulisse also nichts Neues im Hinterland-Horror.
Wertung: (5 / 10)