Texas Chainsaw Massacre (USA 2022)

„I’m the one that got away, and I’m here to make sure you don’t!“ – Sally

Wenn im Kino die Ideen ausgehen, schlägt die Stunde der Remakes. Oder Reboots. Wobei dahingehend im Horrorfilm oft kein Unterschied auszumachen ist. Ein Klassiker, dessen Sequels, Prequels und Neuerzählungen kaum in einen schlüssigen Zusammenhang zu bringen sind, ist „The Texas Chainsaw Massacre“. Mit dem bereicherte Tobe Hooper den Backwood-Terror 1974 um einen Meilenstein, der unzähligen Nachahmern als Prototyp gilt. Die späte erste Fortsetzung besorgte Hooper 1986 gleich selbst – und machte durch comichafte Einschübe deutlich, dass Horror-Aufgüsse nicht zwangsläufig ein Spiegelbild ihres Originals sein müssen. Bis 2017 folgten sechs weitere Filme über die kannibalische Hinterland-Sippschaft und ihr Aushängeschild Leatherface, den ikonischen Kettensägenschwinger mit der Maske aus Menschenhaut.

Mit „Texas Chainsaw Massacre“ sorgt Netflix für ein weiteres Kapitel der schier endlosen Splatter-Saga. Außerhalb des Ursprungs werden sämtliche Folgeteile ignoriert, was selbst innerhalb des Franchises kein Novum ist; schließlich beschritt bereits „Texas Chainsaw 3D“ (2013) diesen Pfad. So sind die Ereignisse von 1974 in der Gegenwart von David Blue Garcias („Tejano“) Fortsetzung eine True-Crime-Legende. Die einzige Überlebende des Massakers, Sally Hardestry (Olwen Fouéré, „Mandy“), hat sich zurückgezogen, wird von den Schrecken der Vergangenheit aber immer noch eingeholt. Für die Geschichte soll das erst im Schlussakt Relevanz erhalten, wenn Sally ihrem einstigen Peiniger in bedingt sinnstiftender Laurie-Strode-Manier entgegentritt. 

Bis dahin herrscht der Naturkulisse angepasste Tristesse. Dass Texas aus Kostengründen nach Bulgarien verlegt wurde, fällt dabei nicht ins Gewicht. Denn erzählerisch bohren die Macher, in deren Reihen „Don’t Breathe“-Regisseur Fede Alvarez als Story-Lieferant und Produzent erscheint, reichlich dünne Bretter. Auf denen verschlägt es die Social-Media-Influencer Melody (Sarah Yarkin, „Happy Death Day 2U“) und Dante (Jacob Latimore, „Detroit“) in die abgeschiedene Geisterstadt Harlow, die sie in ein Hipster-Paradies zu verwandeln gedenken. Zu diesem Zweck wird eine Busladung potentieller Investoren in die Provinz gekarrt. Der Haken: Im örtlichen Waisenhaus ist ein zurückgebliebener Hüne (Mark Burnham, „Lowlife“) untergetaucht, der sich durch die Invasion durch außen dazu genötigt sieht, erneut Gesichtsschmuck aus Menschenhaut überzustreifen und die versteckte Kettensäge aus einer Zwischenwand zu hämmern. 

Die Herleitung folgt gängigen Mustern, wobei Melodys Schwester Lila (Elsie Fisher, „Castle Rock“) als Final Girl mit Ansage präsentiert wird. Eine vernarbte Schusswunde in ihrer Schulter genügt als Indiz für eine Gesinnung, in der Waffenbesitz als Grundrecht keinen Raum erhält. Dass sie am Ende selbst zur Flinte greift, zieht dem angestrebten Subtext den Stecker und erteilt mehr noch dem nur mit Pistole auftretenden Redneck Richter (Moe Dunford, „Vikings“) Recht, der Harlow für die Veräußerung vorzeigbar macht. Dumm nur, dass Virginia (Alice Krige, „Silent Hill“), Ersatz-Mutter des mit übermenschlichen Kräften versehenen Leatherface, scheinbar die Räumungsverordnung missachtet und vom Stress (als Sheriff beteiligt: William Hope, „Aliens“) dahingerafft wird. Für den Serienmörder auf Abruf der Startschuss für ein Massaker, dass primär die Effekt-Crew zu Höchstleistungen anspornt. 

Zumindest die teils harschen Splatter-Effekte erzielen die anvisierte Wirkung, können den banalen Handlungsrahmen aber nicht vollends aufwiegen. Mit Ausnahme der Schwestern hält sich das Publikumsmitleid mit der profillosen Opferschar ohnehin in Grenzen, so dass der visuell gelungene Aufguss in konventionellen Mustern schwelgt. Dabei bleibt gerade aufgrund der Beteiligung von Kim Henkel, Co-Autor und Produzent des Originals, unverständlich, warum die schonungslose Simplizität des Ursprungs nicht als Wegzeiger diente. Bei aller Kritik hat „Texas Chainsaw Massacre“ aber auch Erinnerungswürdiges zu bieten, etwa Sallys unbefriedigende erste Konfrontation mit Leatherface oder das Massaker im Hipster-Bus, zu dessen Einleitung die Schlachtmasse im Kollektiv die Smartphones zückt. So bleibt ein partiell atmosphärisches, im Kern aber streng nach Genre-Vorschrift abgespultes Werk, das aus der unmittelbaren Anlehnung an die eigenen Wurzeln schlicht keinen Vorteil generiert. 

Wertung: 5 out of 10 stars (5 / 10)

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