Frauen im Western. Meist blieben sie Beiwerk, nicht selten romantischer Natur. Das Gefühlige spielt auch bei Samuel Fullers („The Big Red One“) auf den ersten Blick klassischem Genre-Beitrag „Vierzig Gewehre“ (alternativ: „40 Gewehre“) eine tragende Rolle. Die Unterschiede sind dennoch immens. Das zeigt sich insbesondere an Barbara Stanwyck, die als toughe Vieh-Baronin Jessica Drummond eindrucksvoll Geschlechterklischees aushebelt. Für Fuller war die Besetzung des später vor allem im Fernsehen erfolgreichen Hollywood-Stars ein echter Coup. Als der Film gedreht wurde, konnte die Stanwyck bereits auf rund 30 Jahre Schauspielerfahrung verweisen – und vier Oscar-Nominierungen (u. a. für Billy Wilders „Frau ohne Gewissen“, 1944).
Die Dimensionierung ihres lustvoll verkörperten Parts wird bereits in der Eröffnungsszene untermauert: Während US-Marshall Griff Bonnell (Barry Sullivan, „Pat Garrett jagt Billy the Kid“) mit seinen Brüdern Wes (Gene Barry, „Kampf der Welten“) und Chico (Robert Dix, „Alarm im Weltall“) in Cochise County, Arizona, einreitet, kommen ihnen die schwarz gekleidete Jessica und ihre schwer bewaffnete vierzigköpfige Beschützerschar entgegengeritten. Der aufgewirbelte Staub darf dabei durchaus sinnbildlich aufgefasst werden. Wie sehr Fuller seiner Zeit voraus ist, offenbaren auch die lakonischen Wesenszüge, die der Spät-Western erst in der Folgedekade etablieren sollte. Gefürchtete Revolvermänner wie Griff sind im Jahr 1880 ein Auslaufmodell. Als Kerl vom alten Schlag lässt er das Töten durchaus leicht erscheinen. Nicht allein gemessen an dem, was dieser Lebensstil aus ihm gemacht hat, versucht er den jungen Chico unbedingt davon abzuhalten, in seine Fußstapfen zu treten.
Natürlich bringt Fullers Skript, das sich in Teilen der Geschichte von Wyatt Earp bedient, die beiden Alphatiere Jessica und Griff zusammen. Der erzählerische Hebel findet sich in ihrem jüngeren Bruder Brockie (John Ericson, „Die tollkühne Hexe in ihrem fliegenden Bett“), einem schießwütigen Unruhestifter, den Griff kurzerhand einsperrt. Jessica hingegen macht ihren Einfluss geltend und hebt das Gesetz auf. Dass Brockie fortan auf Vergeltung sinnt, ist der treibende Konfliktfaktor. Der belastet vor allem das Verhältnis von Jessica und Griff, die sich während eines tosenden Sturms gemeinsam in Sicherheit bringen und anschließend ihre Liebe entdecken. Das visuell für die Verhältnisse der ausgehenden 1950er spektakulär in Szene gesetzte Unwetter ist nur ein Beispiel für die handwerklichen Vorzüge Fullers, der manche Szene auffährt, die es im Western so noch nicht zu sehen gab.
Die unterschwellige Schwermut, die neben Griff auch Jessica spüren lässt, dass sie von der Moderne eingeholt wird, kontrastiert Fuller durch verblüffend leichtfüßige Momente. Dazu zählen, neben der geträllerten Gitarren-Ballade „The High Ridin‘ Woman With the Whip“, vor allem die Szenen im Badehaus, in denen starke Männer ihre spielerische Seite zeigen. Die zwangsläufige Eskalation verläuft hingegen in gewohnten Bahnen, wenn die Spirale von Gewalt und Gegengewalt die Emotionen zwischen den alternden Liebenden überschattet. Fullers Qualitäten als Geschichtenerzähler offenbaren sich dabei unter anderem in der tragischen Auflösung der parallelen Liebesgeschichte von Wes und Louvenia (Eve Brent, „Der weiße Büffel“), Tochter des örtlichen Waffenhändlers, oder auch die Konsequenz der unerfüllten Zuneigung, die Sheriff Ned Logan (Dean Jagger, „Die fünf Vogelfreien“) für Jessica hegt.
Die Colts werden in „Vierzig Gewehre“ lediglich punktiert gezückt. Einen Mangel an Dynamik erleidet der in schwarz-weiß gedrehte und lediglich 77 Minuten umfassende Western-Klassiker darüber jedoch kaum. Ausdruck dieser auf die Figuren fokussierten Betrachtung ist auch, dass das titelgebende Flinten-Heer zu keiner Zeit in die Konflikte eingreift, sondern lediglich als Beleg für die Macht der Baroness dienlich erscheint. Was den Film bis heute sehenswert gestaltet, ist die Progression. Sie zeigt sich in experimentellen Kameraeinstellungen, unterschwellig sexuellen Dialogen und dem radikalen Scheitern der Liebe. Zumindest fast. Denn auf Drängen von Studio Fox musste Fuller das ursprünglich angedachte Ende, bei dem Griff seine Jessica erschießt, um Brockie richten zu können, mit einer positiven Note versehen. Den emotional gescholtenen Hauptfiguren sei es gegönnt.
Wertung: (8 / 10)